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Taxi Times - April 2018

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TAXI-SHARING Etwa 350

TAXI-SHARING Etwa 350 Taxis versammelten sich bis kurz vor dem Start des Autokorsos. Clemens Grün (HTV) beim Fernsehinterview: Moia schließt weite Teile der Bevölkerung aus. SCHAFFT SICH DIE »STADT DER LÖSUNGEN« NEUE PROBLEME? Dem »Freien Montag« genannten Streik der Hamburger Taxis im März – über die sozialen Medien organisiert – folgte im April eine Demonstration gegen Moia mit über 350 Fahrzeugen und bis zu 400 Teilnehmern. Wie geht es nach den Aktionen weiter? Eine Demo mit Vorgeschichte: Bereits im März hatten Hamburger Kollegen Hamburgs Halteplätze an Bahnhöfen und am Flughafen nicht angefahren. Die Verbände sahen dies zunächst etwas skeptisch und kritisierten, es gäbe kein Konzept und man wisse nicht genau, „wofür oder wogegen“ sich der Protest gerichtet habe. Doch schon bei der ersten Aktion wurde deutlich: Hamburgs Taxifahrer und Unternehmer sorgen sich wegen der Pläne der VW-Tochter Moia, 1 000 elektrische Sammeltaxis zu einem „Dumpingpreis“ anzubieten. Am 17. April, fünf Wochen nach dem Protest im März, kamen dann mit Beteiligung etablierter Verbände knapp 400 Personen zusammen, um mit einem Autokorso in Hamburgs Innenstadt zu demonstrieren. Rund einhundert von ihnen konnten durch die enge Straße direkt bei der Verkehrsbehörde vorfahren, überzählige Fahrzeuge wurden an andere Parkplätze weitergeleitet. Die Demo-Taxis waren mit bedruckten Folien beklebt, auf denen individuell zu lesen war, worum es den Fahrern ging: unter anderem um eine drohende Aufweichung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) und damit des Verbraucherschutzes. MOIA KOSTET ARBEITSPLÄTZE Vor den etwa 120 Teilnehmern der anschließenden Kundgebung vor dem Gebäude der Verkehrsbehörde sprach unter anderem Christian Brüggmann, erster Vorsitzender der Hamburger Taxen-Union. Der Antrag Moias dürfe nicht genehmigt werden, denn mit 1 000 Fahrzeugen handele es sich nicht mehr nur um einen Test, sondern würden Fakten geschaffen. 1 000 weitere Konzessionen für Sammeltaxis würden in dem bereits seit Jahren schrumpfenden Markt für viele Taxibetriebe eine Existenzbedrohung sein und „viele, viele Arbeitsplätze“ kosten. 50 bis 100 Fahrzeuge reichten als Test aus, zumal es bereits einen Test in Hannover gebe. Zahlen dazu würde Moia aber nicht veröffentlichen. Übereinstimmend sagten auch alle weiteren Redner – Clemens Grün (HTV), Ivica Krijan („Die Klage“) und Orhan Tasbilek (Plenarier der Handelskammer) –, dass Moia den Wettbewerb verzerre, da es von den klassischen Pflichten der gesetzlich vorgesehenen Personenbeförderer befreit wäre und die Preise außerdem subventioniert würden. Brüggmann forderte deswegen, alle Beteiligten sollten an einem runden Tisch zusammenkommen, um mögliche Lösungen zu diskutieren. FOTOS: Taxi Times 6 APRIL / MAI 2018 TAXI

TAXI-SHARING Die Demonstranten kritisierten eine anhaltende Serie von Regeländerungen, die das Taxigewerbe schwächen. 120 Teilnehmer nahmen an der Kundgebung vor dem Gebäude der Verkehrsbehörde teil. Die Existenz einer „Lücke zwischen ÖPNV und Taxigewerbe“, die Moia wohl schließen möchte, sei nicht bewiesen, so Tasbilek. Es gebe zwar Gebiete mit einer schlechten Versorgung des ÖPNV, aber niemand würde garantieren, dass die Moia-Busse auch gerade dort eingesetzt würden. Das befürchtet auch Clemens Grün: Moia könnte nur in jenen Gebieten der Stadt operieren, in denen es sich lohnen würde. Tasbilek, Krijan und Grün zweifelten an dem propagierten Ziel der VW-Tochter, die Umweltbelastung zu reduzieren. Die deutschen Autohersteller würden dem Taxigewerbe nämlich keine verwendbaren reinen Elektrofahrzeuge bereitstellen, sondern hätten das erst für 2021 angekündigt. Von staatlicher Seite wünschte sich Tasbilek eine Verlängerung der Subventionen für die Umstellung auf Hybridfahrzeuge, bis die Industrie Elektrofahrzeuge produziere. Umso verwunderter ist man, da VW nun der Tochter Moia einen elektrisch angetriebenen Kleinbus mit 400 km Reichweite exklusiv zur Verfügung stellen wird. An dem hätte auch das Taxigewerbe Interesse. Clemens Grün formulierte pointiert: Die „Wolfsburger Abgasbetrüger“ wollten dem Taxigewerbe mit Subventionen von 50 Millionen Euro jährlich erhebliche Marktanteile abkaufen. Sie wollten ihre eigenen Preise machen und auch nach dem Prinzip des „Surge Pricings“ die Fahrpreise in den Stoßzeiten „kräftig erhöhen“. Die VW-Tochter betreibe eine absichtliche Diskriminierung von Fahrgästen, um Gewinn zu erzielen. Ein solcher Verkehrsanbieter, der auch mit den städtischen ÖPNV-Betrieben um Fahrgäste konkurriere, könne nicht „auf dem Verwaltungswege kalt durchgewunken werden, ohne Diskussion im Verkehrsausschuss“. Die Bitte wurde erhört. Das Thema ist mittlerweile auf die Tagesordnung des Verkehrsausschusses der Hamburger Bürgerschaft gelandet. Außerdem wurden zwei Anfragen an den Senat der Hansestadt Hamburg gestellt, so im Januar von dem FDP- Abgeordneten Ewald Aukes und im März von den AfD-Abgeordneten Prof. Jörn Kruse und Detlev Ehlebracht. Der Senat verweist jedoch darauf, dass der Volkswagen-Konzern seinen Probebetrieb eigenverantwortlich durchführe und die geschäftlichen Details ohnehin Betriebsgeheimnisse wären. Die Antworten des Senats bleiben somit in vielen Punkten lapidar. BEHÖRDE PRÜFT PROBEBETRIEB Hinzu kommt: Ein Zustimmungsvorbehalt politischer Gremien ist in einem Antragsverfahren gesetzlich nicht vorgesehen. Dirk Ritter von der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation stellte gegenüber Taxi Times die Rechtslage klar: Die Firma Moia sei berechtigt, einen solchen Antrag bei der Behörde zu stellen. Deren Aufgabe sei es dann, darüber gemäß der Vorgaben des PBefG zu entscheiden. So wird die Verkehrsbehörde dann zunächst feststellen müssen, ob der Probebetrieb von 20 Fahrzeugen ab September 2018 im Sinne des § 1, Absatz 2, Satz 1 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) genehmigungsfrei ist, weil die Betriebskosten angeblich nicht durch das Entgelt gedeckt werden. Hier wird die Begründung interessant, denn nach Kenntnis d. R. könnten auch mittelbare wirtschaftliche Vorteile als Entgelt anzusehen sein, zum Beispiel die Gewinnung von Kenntnissen und Daten über den Markt. Dirk Ritter bekräftigte gegenüber Taxi Times, dass man die Bedenken des Taxigewerbes sehr ernst nehmen würde: „Wir arbeiten für, nicht gegen das Gewerbe.“ Bei einer Genehmigung über den Antrag würde genau geprüft, ob und welche Bedingungen für das Bediengebiet, die Anzahl der Fahrzeuge und die Preise festgesetzt werden müssen. Wie diese Bedingungen dann im Detail aussehen werden, wird aus dem Behördenbescheid zu entnehmen sein. Anstatt Spekulationen anzustellen, solle man sich besser auf neue Konkurrenten einstellen. Die Auswirkungen des Projektes auf die wirtschaftliche Lage des Taxigewerbes sollen während der Probephase untersucht werden. Ritter: Die Fragestellungen, Methodik und durchführende Stellen müssten erst noch bestimmt werden. Damit hätte die Behörde am Ende des vierjährigen Testbetriebes belastbare Entscheidungsgrundlagen über den weiteren Betrieb. Taxi Times liegen derzeit keine Informationen vor, ob VW bereits an einer Realisierung von notwendigen Ladestationen arbeitet. Nach unbestätigten Informationen hat die Hamburger Hochbahn AG eine Mitbenutzung ihrer Betriebshöfe aus Kapazitätsgründen abgelehnt. Probleme könnte es auch bei der Genehmigung und Realisierung von „bis zu 3000“ virtuellen Haltestellen geben, denn weder deren Lage noch Ausgestaltung scheint spezifiziert. Ob sie sich gemäß Straßenverkehrsrecht sicher im knappen Stadtraum realisieren lassen, hat die Straßenverkehrsbehörde mitzuentscheiden. Die grundsätzliche Absicht, den Moia- Dienst einzuführen, scheint bereits an anderer Stelle beschlossen worden zu sein. Als Begründung werden vorgeschobene Vorteile für die Umwelt, für die Fahrgäste und eine angenommene verringerte Verkehrsbelastung genannt. Die Hansestadt Hamburg arbeitet mit der Wolfsburg AG, zu 50 Prozent im Besitz von VW, zusammen an einem Kongress für „Intelligente Transportsysteme“ (ITS) unter dem Motto „City of Solutions“ („Stadt der Lösungen“); dort möchte Hamburg sich fortschrittlich präsentieren. prh TAXI APRIL / MAI 2018 7

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