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Taxi Times D-A-CH - Juni 2016

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INTERVIEW aufklären

INTERVIEW aufklären können, was es mit diesen Mitbewerbern eigentlich wirklich auf sich hat. Sie be drohen die bestehenden Mobilitätsstrukturen. Wenn die Zahl der Anbieter von Personenbeförderungen durch Deregulierungen erhöht wird und gleichzeitig die Preise sinken, kann sich jeder ausrechnen, wohin das wirtschaftlich führt. Noch sind Taxiregularien nationale Gesetze. Könnte es passieren, dass diese auf einer europäischen Ebene definiert werden? HK: Ja, diese Gefahr besteht. Taxigesetze waren bisher national und innerhalb der Nationen sogar kommunal geregelt, weil die Branche bisher ja auch regional organisiert war. Deshalb hatte bisher auch nie mand ein Interesse daran, das auf eine überregionale Ebene zu heben. Da jetzt aber neue Mitspieler in den Markt eintreten, die ihre Vermittlungen überregional organisieren können und sich davon enorme Profite versprechen, brauchen diese Unternehmen natürlich auch eine Vereinheitlichung der Regularien, damit ihr Geschäftsmodell funktioniert. »Der Kampf ist notwendig, um die Interessen des Taxigewerbes zu schützen.« Rechtsanwalt Herwig Kollar Inhaltlich sind die nationalen Regelungen gar nicht so weit auseinander. HK: Ja, es gilt überall das Prinzip der behördlichen Zulassung mit entsprechenden Überprüfungen. Das EU-weit zu vereinheitlichen, wäre aus Sicht des Taxigewerbes okay. Eine Neuordnung, bei der diese Standards wegfallen, darf es auf keinen Fall geben. Auch in Deutschland melden sich immer mehr Politiker zu Wort, die sich eine Liberalisierung des PBefG vorstellen können. Lassen Sie uns die vermeintlichen Schwachpunkte ansprechen. Erstes Stichwort: Ortskunde … DS: … ist scheinbar nicht mehr nötig, weil wir ja Navigationsgeräte haben. Diese werden jedoch meistens auf die Option „Schnellste Route“ eingestellt – und die ist meistens viel länger als die kürzeste Route. Damit erhöht sich der Fahrpreis für den Kunden. HK: Die große Erwartung, die ein Fahrgast heute an den Taxifahrer hat, ist doch, dass er sich auskennt. Nicht nur bei den Straßen, sondern auch bei den Adressen. Somit ist die Ortskenntnis die wichtigste Identifikation eines Taxifahrers. Das will man jetzt ernsthaft abschaffen? Soll ein Taxifahrer nur noch Auto fahren können? Je weniger Qualifikation nötig ist, umso geringer ist auch das soziale Prestige des Berufsbildes. Stichwort: Rückkehrpflicht für Mietwagen … HK: ... ist ein wesentlicher Bestandteil der Abgrenzung zwischen Taxi und Mietwagen. Will man diese Abgrenzung beibehalten? Wenn ja, dann braucht es auch nach wie vor eine Rückkehrpflicht. Die ökologischen Gründe, die scheinbar für eine Aufhebung sprechen, sind Quatsch. Wenn Mietwagen nach einer Fahrt nicht mehr zum Betriebssitz zurückkehren müssen, kreisen sie stattdessen im Stadtgebiet herum. Ein verstärktes Mietwagenangebot erhöht damit die Umwelt- und auch die Verkehrsbelastung. Die Tarifpflicht … DS: … ist auf jeden Fall beizubehalten. Ein behördlich festgelegter Tarif schützt die Existenz des Taxiunternehmers und ist für den Verbraucher eine verlässliche Preiskalkulation. »Die verkehrsbedingte Wartezeit ist mir ein Dorn im Auge.« Dieter Schlenker, Vorstand Taxi Deutschland eG Die aber trotzdem immer nur Ungefähr-Angaben sind. DS: Unter diesem Aspekt ist mir persönlich auch die verkehrsbedingte Wartezeit ein Dorn im Auge. Taxizentralen und Unternehmen haben hier aber jahrzehntelang gesammelte Erfahrungen, die sie an den Kunden weitergeben können. Bei normalem Verkehrsaufkommen kann man etwa 15 Prozent zum Kilometertarif aufschlagen, bei viel Verkehr etwa 20 Prozent. HK: Am Beispiel der Krankenfahrtentarife sieht man ganz deutlich, wohin ein Wegfall der Tarifpflicht führt. Den Zuschlag für ausgeschriebene Krankenfahrten bekommt unabhängig von der Qualität immer der Billigste, der dann aber mit solchen Preisen nicht dauerhaft auf dem Markt existieren kann, weil er nicht mehr kostendeckend arbeiten kann. Die Folgen sind schlechtere Qualität und eine hohe Fluktuation. Wenn solche Änderungen politisch angedacht werden, dann betrifft das doch längst nicht mehr nur die Taxiunternehmer in den Großstädten. HK: Das ist genau der Punkt. Wenn die Politik das alles aufhebt, ist das Taxi kein Ergänzungsverkehr mehr zum ÖPNV, sondern ein ausschließlich privater Fahrdienst. Uber will nicht den Ordnungsrahmen für Frankfurt, Berlin oder München ändern, sondern für ganz Deutschland und für ganz Europa. Wenn die Mit bewerber das erreichen sollten, dann leidet auch der Taxiunternehmer in Buxtehude oder in der Uckermark darunter. Denn der muss dann plötzlich mit einem Freizeitunternehmer konkurrieren, der ohne irgendwelche Zugangsvoraussetzungen mit einem Freibetrag von 10 000 Euro pro Jahr Fahrgäste befördern darf. Diese Art von Wettbewerb wird kein aktueller Taxiunternehmer nirgendwo in Deutschland, nirgendwo in Europa bestehen. Herr Schlenker und Herr Kollar, vielen Dank für das Interview. Das Gespräch führte Jürgen Hartmann. Lesen Sie in der nächsten Ausgabe von Taxi Times den zweiten Teil unseres Interviews. Dabei geht es um die eigenen Schwachstellen, Qualitätsanforderungen und Abhängigkeiten. FOTOS: Taxi Times 8 JUNI / JULI / 2016 TAXI

REGULIERUNG DAS ENTEN- PRINZIP Ein aktueller Bericht zu Taxi-Apps hat noch einige Mängel, geht aber aus Taxisicht in die richtige Richtung. José Viegas, der Generalsekretär des ITF, stellte den neuen Bericht in Leipzig vor. FOTO: International Transport Forum (ITF), Fotolia/Andrzej Tokarski Seit mehr als fünf Jahren dominiert der Begriff Wettbewerbsgleich heit die Diskussionen um die Regelung von Taxis und Transportation Network Companies (TNCs) wie Uber und Lyft, die stets behaupten, sie seien nur „Technologieunternehmen”, und so versuchen, die strengen Regelungen zu umgehen, die in Bezug auf Sicherheit und Sicherungsmaßnahmen, Betriebsart und (maximale) Zahlen im Taxigewerbe Anwendung finden. Wie aber einst ein Richter in Chicago sagte, als er nicht zwischen einer TNC und einem Taxi unterscheiden konnte: „Wenn es aussieht wie eine Ente, quakt wie eine Ente und geht wie eine Ente, ist es eine Ente.“ Die Stanford Encyclopedia of Philosophy definiert Wettbewerbsgleichheit folgendermaßen: „Im Handel ist Wett bewerbsgleichheit ein Konzept der Fair ness, das nicht bedeutet, dass alle Spieler ähnliche Siegchancen haben, sie aber alle dieselben Spielregeln einhalten.“ Vor Kurzem hat das International Trans port Forum (ITF) einen Bericht mit dem Titel „App-Based Ride and Taxi Services: Principles for Regulation“ („Appbasierte Fahrzeug- und Taxidienste: Prinzipien und Regelung“) veröffentlicht. Obwohl dieser einige Mängel aufwies, erkannte der Bericht zumindest das „Gleiche Dienstleistung, gleiche Regeln“-Prinzip an. In dem Bericht wurde festgestellt, dass TNCs oft aus bestehenden Regelungen herausfallen und dass Regierungen darauf reagierten, indem sie versucht haben, diese zu sperren, oder indem sie bestehende Taxiregelungen so angepasst haben, dass derlei Dienst leistungen mit eingeschlossen werden. Tat sächlich sei aber eine Nachprüfung des bestehenden Regulierungsrahmens in Bezug auf Personentransportdienstleistungen dringend notwendig. Basierend auf einem Workshop des Corporate Partnership Board des ITF, der Akademiker sowie Vertreter des Taxigewerbes und von Aufsichtsbehörden und TNCs zusammenbrachte, wurden in dem Bericht sowohl Deckungspunkte als auch anhaltende Spannungen identifiziert (Laden sie den Bericht hier gratis herunter: http://2016.itf-oecd.org/free-publications). Die International Road Union (IRU) begrüßte den Bericht des ITF als ersten Schritt in die Richtung einer breiteren und weniger ausgrenzenden Auffassung neuer Mobilitätsschemata und Geschäftsmodelle, hat jedoch entscheidende Bedenken in Bezug auf Arbeitsbedingungen, Einfluss auf Städte und Kunden und gemeinsame Datennutzung. Man freue sich aber besonders über die Anerkennung des „Gleiche Dienstleistung, gleiche Regeln“-Prinzips und mahnt abermals an, dass „Regelungen und Regu ­ lierungsbehörden keinen Unterschied zwischen verschiedenen Dienstleistern machen sollten“. wf TAXI JUNI / JULI / 2016 9

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