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Taxi Times DACH - 1. Quartal 2020

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ÖSTERREICH TARIFPLÄNE

ÖSTERREICH TARIFPLÄNE UMSTRITTEN Weil im Programm der neuen österreichischen Regierung von Flexibilität bei den künftigen Taxitarifen die Rede ist, befürchtet der Wiener Taxi-Obmann Gökhan Keskin eine Aufweichung des neuen Taxigesetzes. Dass Österreich ein neues Gelegenheitsverkehrsgesetz bekommt, steht seit letztem Sommer fest. Darin soll die Unterscheidung zwischen Taxi- und Mietwagenverkehr wegfallen – auch das gilt als sicher. Detaillierte Bestimmungen sollen allerdings über sogenannte Betriebsverordnungen geregelt werden – und da befürchtet Keskin eine Aufweichung, weil in der Regierung über flexible Tarife nachgedacht wird. Seines Erachtens käme eine solche Regelung einzig und allein den Großkonzernen zugute. „Die kleinen Taxiunternehmen sowie die Fahrgäste wären die Leidtragenden. Alle Kundinnen und Kunden müssen sicher sein können, dass sie nur den einheitlichen Tarif bezahlen – und nicht mitten in der Nacht Preisverhandlungen mit dem Taxifahrer führen, den sie soeben angehalten haben.“ Als spannende Frage bezeichnet Keskin die künftige Haltung des Wirtschaftsbundes. „Ich fürchte, dass er die kleinen Taxiunternehmer verraten und aus Parteiräson auf die Linie der neoliberalen Konzernlobbyisten umschwenken wird. Die Digitalisierung darf hier nicht als Ausrede für wettbewerbsverzerrende Praktiken und Lohndumping missbraucht werden.“ Die Digitalisierung sei bei der Überarbeitung des Gesetzes bereits mitgedacht worden, teilt der Obmann mit und verweist in diesem Zusammenhang auf eine geplante App der Wirtschaftskammer, die das Bestellen von Taxis vereinfachen soll. Die müsse nun auch umgesetzt werden, dann würden tatsächlich für alle Player auf dem Taximarkt die gleichen Regeln und Chancen gelten. jh Taxis am Wiener Flughafen in Schwechat. IN 5 JAHREN NUR NOCH E-TAXIS? Warten an Wiens Taxistandplätzen ab 2025 nur noch E-Taxis? Mit dem »Integrierten nationalen Energie- und Klimaplan« bekennt sich die schwarz-grüne Regierung unter Bundeskanzler Kurz zu den Klimazielen der EU und will ab 2025 nur noch emissionsfreie Taxis zulassen. In Wien wurden E-Taxis von 2016 bis 2018 bereits mit bis zu 8.000 Euro gefördert. Das Ziel, 250 E-Taxis auf die Straße zu bringen, scheiterte aber. Im zweiten Anlauf soll jetzt zur Not eine Anpassung des Gelegenheitsverkehrsgesetzes die Unternehmer zu emissionsfreien Taxis zwingen. Der Plan betrifft auch Mietwagen und Car-Sharing-Fahrzeuge. Davor Sertic, Spartenobmann für Verkehr in der Wirtschaftskammer Wien, befürwortet den Gesetzesentwurf, wendet aber ein, dass die Unternehmer nicht alles alleine schultern könnten und auf staatliche Unterstützung angewiesen seien. So müsste neben taxitauglichen E-Fahrzeugen auch die erforderliche Ladeinfrastruktur verfügbar sein. „Wenn die genannten Punkte erfüllt sind, ist es möglich“, so Sertic. Unternehmer aus verschiedenen Regionen Deutschlands, die bereits elektrisch unterwegs sind, zeigen in ihrer Hauptforderung Einigkeit. Sie fordern einen sinnvollen Ausbau der Ladeinfrastruktur und ein transparentes Abrechnungsmodell der Stromanbieter. sg FOTOS: Axel Rühle 12 1. QUARTAL 2020 TAXI

TAXI INTERNATIONAL FRAGEN AN EINEN US-TAXI-EXPERTEN WIE GEHT ES DEM TAXI- UND MIETWAGENGEWERBE? „Das traditionelle Gewerbe in den USA hat sich weitgehend stabilisiert.“ Diese überraschend positive Antwort stammt von Al LaGasse von der Transportation Alliance, der sich am Rande der TRB- Konferenz (siehe unten stehender Kasten) für ein Interview zur Verfügung stellte. Es war nicht das erste Gespräch mit Taxi Times. Bereits vor zwei Jahren hatten wir Al LaGasse über die Entwicklungen auf dem amerikanischen Taxi- und Mietwagenmarkt befragt. LaGasse war damals CEO der Taxicab Limousine and Paratransit Association (TLPA), die 2019 in die breiter aufgestellte Transportation Alliance umbenannt wurde. TAXI TIMES: Herr LaGasse, wie hat sich die Lage im Gewerbe seit unserem letzten Gespräch verändert? Hat sich der Abwärtstrend, den Sie für beide Sektoren damals signalisierten, fortgesetzt? Oder hat das Gewerbe von Uber & Co. (den sogenannten Transportation Network Companies – TNC) profitiert? AL LAGASSE: Als das Geschäft für Taxis und Mietwagen (For Hire Vehicles – FHV) zurückging, stieg die Taxibranche stärker in den Vertragsdienstleistungsmarkt, beispielsweise in die Schülerbeförderung, ein und viele Mietwagen-Unternehmen orientierten sich zum Busmarkt hin. Al LaGasse, CEO der Transportation Alliance »Die Taxibranche hat nach dem Technologie- Upgrade ihre Betriebskosten gesenkt.« Wenn Sie das in einer zehnjährigen Perspektive sehen, seit dem Start von Uber in 2009, wie hart ist der Taxi- und Mietwagen-Sektor getroffen worden? In den großen TNC-Märkten (Großstädte) ist das Taxigeschäft für Privatkunden um etwa 40 bis 50 Prozent gesunken. TNCs dominieren mittlerweile die Beförderung auf großen Flughäfen und beeinträchtigen den Mietwagen-Dienst erheblich. Viele Taxiunternehmen haben in den letzten Jahren zugemacht. Was für Unternehmen waren das? Es gibt keine verlässlichen Daten über die Schließung von Taxi- und Mietwagenunternehmen. Es hat immer eine Abwanderung kleinerer Unternehmen gegeben, die in dieses Geschäft eingetreten sind und es wieder verlassen haben. In den letzten Jahrzehnten hat es auch eine Stabilisierung der Branche gegeben, die noch andauert. Würden Sie sagen, dass Taxi- und Mietwagenunternehmen nicht schnell genug waren, um sich an die neuen Beförderungsanforderungen anzupassen? Oder machen Sie das von den lokalen Regierungen gezeigte Fehlen eines regulatorischen Rückgrats verantwortlich? Die TNCs haben vor einem Jahrzehnt illegal mit der Bereitstellung von nicht lizenzierten Taxi- und Mietwagendiensten begonnen. Wir waren der Ansicht, dass das Gesetz für diese „Banditen- u FOTO: Transportation Alliance MIKROMOBILITÄT STEHT IM MITTELPUNKT Jedes Jahr ist die Jahrestagung des eine „Wunderlösung“ für alle Beförderungsprobleme zu bieten. Jetzt vor Transportation Research Board (TRB) ein Marathon, beim 100. Zusammentreffen war das nicht anders. Mitte Januar spürte man, dass nicht alle Teilnehmer allem im ÖPNV. In vielen Workshops reisten 14.000 Transportspezialisten aus die Uber & Co.-Lösung begrüßen. der ganzen Welt nach Washington, um Gerade dort, wo Kunden keinen Zugriff in fünf Tagen nicht weniger als auf Kreditkarten oder Smartphone 5.000 Präsentationen in 800 Workshops anzuhören. Die Workshops für diese Firmen, brauchen Einwohner haben oder die Stadt einfach zu klein ist wurden vorbereitet von Gremien, das Taxi. Besonders in ländlichen welche die Worte „Taxi“ und „Paratransit“ (Behindertenbeförderung) jedoch Minnesota, wo eine Behörde deutlich Regionen, wie beispielsweise in nicht mehr benutzen. Sie wurden durch sagte, dass sie kein Vertrauen hat zu „Ride-Sharing“ ersetzt. In vielen Uber und Lyft, „weil nicht bewiesen ist, Workshops waren oft mehrere Lyft- und dass sie auch noch in der Zukunft Uber-Vertreter präsent, um begeistert funktionieren“ – wenn die endlosen Geldquellen nicht mehr da sind –, „und sie nicht auf eine nachhaltige Art funktionieren“. Auch andere Teilnehmer äußerten sich kritisch zu Uber & Co., wiesen aber auch auf einen anderen Taxi-Konkurrenten hin: die Mikromobilität mit ihren E-Scootern und E-Fahrrädern (ein großes Thema im TRB). In Paris ersetzt sie zum Beispiel Taxifahrten bis zu zwei Kilometer Fahrtstrecke. Auch Mobility as a Service (MaaS), bei der in einer App verschiedene Beförderungsdienste und Zahlung miteinander verknüpft werden sollen, war ein wichtiges Thema. Für das Taxigewerbe sicher ein Thema der Zukunft. wf TAXI 1. QUARTAL 2020 13

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