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Taxi Times DACH - 1. Quartal 2022

POLITIK Dieselpreis am

POLITIK Dieselpreis am 9. März 2022 Dieselpreis am 10. März 2022 Dieselpreis am 8. März 2022 Dieselpreis am 3. März 2022 € PREISWUCHER AN DEN ZAPFSÄULEN Kurz nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine erreichten die Spritpreise täglich neue Dimensionen. Taxiverbände schlugen Alarm und forderten Gegenmaßnahmen. Fotomotive mit Tankstellen-Preisanzeigen von deutlich über zwei Euro pro Liter zählten von einem Tag auf den anderen zu den am häufigsten geposteten Motiven in sozialen Medien. Sie waren das Symbol für die Fassungslosigkeit, mit der die Taxiunternehmer auf den explosionsartigen Anstieg der Spritpreise reagierten. Mal eben für die gleiche Tankfüllung das Doppelte zahlen zu müssen als noch vor gut einem Jahr, ist für eine Branche sehr schmerzhaft, die nach zwei Jahren Corona kaum noch Reserven hat. Entsprechend schnell und deutlich haben die diversen Taxiverbände Anfang März reagiert. Sie schrieben Brandbriefe an die zuständigen Minister und wählten deutliche Worte, um auf die Auswirkungen aufmerksam zu machen. „Unser wirtschaftlicher Spielraum in der Taxi- und Mietwagenbranche war nie groß, aber jetzt ist er aufgebraucht“, warnte beispielsweise Michael Oppermann, Geschäftsführer des Bundesverbands Taxi- und Mietwagen (BVTM). „Viele Taxiunternehmer stehen vor der Wahl – Kraftstoff im Tank oder Essen im Kühlschrank!“ INSOLVENZRISIKO FÜR UNTERNEHMEN Ähnlich drastisch formulierte es auch der Taxi- und Mietwagenverband TMV: „Dieser historisch höchste Preis in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist […] ein Insolvenzrisiko für die Unternehmen.“ Und weiter: „Nach zwei Jahren Pandemie […] brechen die steigenden Kraftstoffpreise […] unseren Mitgliedern nun endgültig das Genick.“ Der niedersächsische Landesverband GVN sprach von „Ausmaßen, die man so noch nie erlebt hat“. Die aktuelle Kostenexplosion habe die Branche „fest im Würgegriff“. In Rheinland-Pfalz wies der MOLO darauf hin, dass die wichtigen und lebensnotwendigen Patientenfahrten auch trotz dramatischer Treibstoffkostenentwicklung durchgeführt werden. „Keine unternehmerische Kalkulation konnte jedoch die aktuellen Preissteigerungen abbilden. Ohne eine Unterstützung durch die Politik schafft der Preisschock beim Diesel das, was zwei Jahre Corona-Pandemie nicht geschafft hat: die Taxi- und Mietwagenunternehmen in die Insolvenz zu treiben.“ Auch der LTV malte für Thüringen ein düsteres Bild: „Sollte keine schnelle Hilfe erfolgen, werden viele coronagebeutelte Unternehmen in den nächsten Monaten aufgeben müssen. Die Leidtragenden sind die Bürger, die auf Mobilität angewiesen sind.“ FORDERUNGEN DES BVTM Dabei hatten die Verbände auch konkrete Forderungen an die Politik, wie diese Hilfe aussehen kann: „Jeder Bäcker kann über den Preis für seine Brötchen allein entscheiden, das Taxi- und Mietwagengewerbe ist auf die Entscheidungen der öffentlichen Hand in 802 Tarifgebieten in Deutschland angewiesen“, legt BVTM- Präsident Herwig Kollar den Finger in die Wunde. Anträge auf Tariferhöhungen müssten schnell genehmigt werden. Zudem wurden auch die Rufe nach Subventionen lauter: „So wie es bei den kommunalen Nahverkehrsunternehmen oder überregionalen Anbietern nicht ohne finanzielle Hilfe rollt, braucht auch das FOTOS: Mehran; Taxi Times (2); Peter Roeder 16 1. QUARTAL 2022 TAXI

POLITIK Taxigewerbe Unterstützung zur Selbsthilfe“, sagte Kollar. Der TMV störte sich an der Tatsache, dass der Staat über die Mineralölsteuer bei jedem verkauften Liter mitkassiert. Er forderte die sofortige Aussetzung der Energiesteuer für mindestens drei Monate. MOLO FORDERT GEWERBEDIESEL Der MOLO plädierte für Lösungen speziell für Verkehrsunternehmen in Form eines Gewerbediesels. Gemeint war damit die schnellstmögliche temporäre Einführung eines von der Politik verbilligten Dieselkraftstoffs für Fahrzeuge der Transport- und Mobilitätsbranche. MOLO-Geschäftsführer Guido Borning schlug dazu eine möglichst unbürokratische Abwicklung vor: „Die Unternehmen reichen bis zum 10. jedes Folgemonats die getankten Liter und aufgewendeten Gesamtkosten für Dieselkraftstoff (netto) beim Finanzamt ein. Auf der Basis von 1,30 Euro netto wird der Differenzbetrag zu den tatsächlichen Aufwendungen ermittelt. Diese Differenz wird den Unternehmen erstattet.“ In eine ähnliche Richtung ging der Vorschlag des BVTM, der ein Kontingent mit von der Energiesteuer befreitem Kraftstoff vorschlug: „Wenn ein Unternehmen daraus bis zu 7.500 Liter beziehen kann, dann würde wenigstens die Energiesteuer auf einen normalen Jahresverbrauch wegfallen. Die Rückerstattung könnte über die Steuererklärung erfolgen“, erklärt dazu Michael Oppermann. Er brachte auch eine Speziallösung ausschließlich für die Taxi- und (systemrelevante) Mietwagenbranche ins Spiel: „Für die Gewährleistung individueller Mobilität brauchen die Taxi- und Mietwagenunternehmen in Deutschland einen kurzfristigen Mineralölzuschlag.“ Die Branche sollte deshalb pro Tour einen Aufschlag von einem Euro erheben. Der Vorteil dieser Idee: Ungeachtet von laufenden Anträgen auf Tarifänderung hätte man diesen Zuschlag sehr schnell umsetzen können. Herwig Kollar bezeichnete einen solchen kurzfristig einzuführenden Zuschlag auf Nachfrage von Taxi Times als rechtlich problemlos möglich. „Viele Landesministerien hätten von der im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Tarifhoheit an die untergeordneten Genehmigungsbehörden zu deligieren. Zudem wusste Kollar zu berichten, dass eine solche Maßnahme kein Novum wäre: Während der Ölkrise im Herbst 1973 hatte war der Preis für ein Barrel Öl von drei auf fünf Dollar und die Benzinpreise waren an deutschen Tankstellen von 65 Pfennig auf 90 Pfennig gestiegen. „In Frankfurt am Main wurde daraufhin ein sogenannter Erdöl-Zuschlag von 50 Pfennig je Taxifahrt erhoben, was mit Aufklebern kommuniziert wurde, die neben dem Taxameter angebracht werden mussten“, erinnerte sich Kollar. „Die Bevölkerung hatte dafür Verständnis.“ Das wäre nach Meinung von Oppermann wohl auch heute vorhanden. „Taxifahrer ist kein Job, den man zu Fuß machen kann.“ Anmerkung der Redaktion: Kurz nach Redaktionsschluss dieses Textes hatte die Bundesregierung ein allgemeines Entlastungspaket versprochen. Deren Inhalte konnten in diesem Beitrag nicht mehr berücksichtigt werden. Parallel hatten auch die Krankenkassen erste Zuschläge genehmigt. jh

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