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Taxi Times DACH - 1. Quartal 2022

ÖSTERREICH BESOFFEN,

ÖSTERREICH BESOFFEN, VERSCHULDET, ILLEGAL Ende Februar hat die Polizei am Flughafen Innsbruck eine Taxikontrolle durchgeführt. Die Bilanz war schockierend, ist aber nicht nur auf das klassische Taxigewerbe zurückzuführen. In Innsbruck sind viele „Taxis“ unterwegs, die für ausländische Plattformanbieter zu Dumpingpreisen (und oft illegal) fahren. Sie tauchen speziell zur Wintersaison auf und befördern Fahrgäste in (meist nicht korrekt zugelassenen) Fahrzeugen mit (oft sogar) ausländischen Kennzeichen und Fahrern ohne Deutschkenntnisse und Lenkerausweis „Meist werden diese Fahrten über das Internet angeboten und gebucht“, berichtet Magister Gabriel Klammer gegenüber Taxi Times. Klammer ist Sparten-Geschäftsführer Transport und Verkehr der Tiroler Wirtschaftskammer. „Seit Jahren beobachtet die Taxi-Innung eine Zunahme von ausländischen Anbietern, die mit Transfers vom und zum Flughafen Innsbruck Geschäfte machen wollen“, heißt es dazu in einer Stellungnahme. „Dabei sind die Preise gering, die Verlässlichkeit aber meist auch. So passiert es immer öfter, dass Kunden trotz Bezahlung im Voraus auf der Straße stehen bleiben. Ein untragbarer Zustand für die Taxi-Branche und das Tourismusland Tirol.“ Markus Freund, Sprecher der Taxi-Innung in der Tiroler Wirtschaftskammer, erläutert die Hintergründe: „Diese Fahrzeuge fahren während der Wintermonate im Auftrag von Online-Anbietern, die ihren Sitz in Ländern wie Hongkong haben. Der Kunde bucht gutgläubig über eine Plattform im Netz, während die Betreiber dann versuchen, die Fahrt abzüglich einer saftigen Provision an Unternehmen vor Ort zu vermitteln. Wenn das nicht möglich ist, greift man wohl auch gerne auf ,Nicht-Unternehmer‘ zurück. Kein Wunder: Die Plattformen bieten ohnehin zu Niedrigstpreisen an, wenn man von diesem Preis noch eine Provision an die Plattform zahlen muss, dann fährt man unter den eigenen Selbstkosten, das macht kein seriöser Unternehmer.“ TAXI-KONTROLLE: „AKTION SCHARF“ Weil man seitens der Wirtschaftskammer sowohl die Polizei als auch die Finanzaufsicht auf diese Missstände aufmerksam gemacht hat, kam es Ende Februar an einem Samstagvormittag zu einer umfangreichen Kontrolle der Taxis. 190 Taxifahrer aus 30 Betrieben wurden dabei überprüft. Die Kontrollaktion trug den Namen „Aktion scharf“. Im Einsatz waren elf Finanzpolizisten und acht Polizisten, sie haben ab 9 Uhr morgens „die am Flughafen in hoher Zahl anzutreffenden Taxis“ kontrolliert, teilte das Bundesministerium Finanzen in einer im Beamte der Finanzpolizei während einer Taxikontrolle in Innsbruck. Nachgang veröffentlichten Pressemeldung mit. Österreichs Finanzminister Magnus Brunner hatte sich bei allen Beteiligten bedankt. „Die behördenübergreifenden Schwerpunkteinsätze der Finanzpolizei gemeinsam mit der Polizei sind ein wichtiger Baustein in unserem Kampf gegen Abgaben- und Sozialversicherungsbetrug“, sagte er. Der Einsatz sei „im Sinne fairer Wettbewerbsverhältnisse“ erfolgt. Die Bilanz der Kontrollen liest sich desaströs: Zahlreiche Fahrer und Unternehmer wurden angezeigt, ein Taxi sogar noch an Ort und Stelle gepfändet. Vonseiten der Medien gerieten vor allem ein unter Drogen stehender Fahrer sowie eine Lenkerin in den Fokus, die stark alkoholisiert erwischt worden war. DIE ERGEBNISSE Während die Polizei 21 Anzeigen und 13 Organmandate ausstellte (darunter auch den Führerscheinentzug für die oben genannten Drogen- und Alkoholsünder), musste die Finanzpolizei in 14 Fällen Anzeigen erstatten. „Acht nach dem Sozialversicherungs- und drei weitere nach dem Arbeitszeitgesetz. Zwei Anzeigen gab es wegen Verstößen gegen die Gewerbeordnung, eine weitere wegen Verstößen gegen das Arbeitslosenversicherungsgesetz“, bilanziert die Finanzverwaltung. Zudem traten zahlreiche Unregelmäßigkeiten bei den Registrierkassen auf, die jedes Taxi eigentlich haben müsste. In manchen Fällen wurde eine solche überhaupt nicht mitgeführt, in einem besonders ungewöhnlichen Fall wurden für „Stammkunden“ statt der rechtmäßigen Zahlungsbelege Verrechnungsbelege ohne QR-Code ausgedruckt. Last, but not least wurde als Sofortmaßnahme ein Fahrzeug sichergestellt, weil dessen Unternehmer beim Fiskus noch 15.000 Euro Steuerschulden hatte. Die Ergebnisse sowie die Art der medialen Berichterstattung erwecken einen miserablen Eindruck vom Innsbrucker Taxige- FOTO: BMF-Finanzpolizei. 22 1. QUARTAL 2022 TAXI

ÖSTERREICH werbe. Bei der Ursachenforschung relativiert sich dieses Bild allerdings. In Österreich gibt es seit 2021 keine Unterscheidung mehr zwischen Mietwagen und Taxis. Sämtliche Personenbeförderer unterliegen einem einheitlichen Taxigesetz. Die Wintermonate sind aufgrund der Skisaison die umsatzstärksten Zeiten für eine Branche, die vor allem durch Corona sehr gebeutelt ist. Durch die hohen Inzidenzzahlen der Omikron-Variante und der damit verbunden häuslichen Isolation fallen den Taxibetrieben von einem Tag auf den anderen die Fahrer aus. Kurzfristig lässt sich dieser Verlust nicht kompensieren, denn Ersatzfahrer benötigen seit dem Taxi-Einheitsgesetz einen Taxifahrerausweis. „Bei der bisherigen Mietwagenregelung war das noch einfacher“, sagt Gabriel Klammer. Die Aufträge bei den Taxibetrieben seien vorhanden, weiß Klammer zu berichten. Durch die kurzfristig ausfallenden Fahrer*innen mit Taxischein seien manche Unternehmen dem Drang erlegen, auf Personal ohne Legitimation zurückzugreifen, um sich wirtschaftlich endlich wieder besser aufstellen zu können. Klammer will dies allerdings nicht als Entschuldigung gelten lassen. „An Gesetze müssen sich alle halten.“ Die Wirtschaftskammer begrüßte diese Kontrollen daher, die man auch selbst in Vorgesprächen mit angestoßen habe. Man habe im Vorfeld die Polizei sogar gebrieft und ein Merkblatt erstellt, worauf bei den Kontrollen zu achten ist. Wie viele von den jetzt publik gewordenen Verstößen tatsächlich auf die redlichen Taxibetriebe fallen und wie viele der schwarzen Schafe den Kontrolleuren ins Netz gegangen sind, konnte Klammer nicht sagen. Die (Finanz-)Polizei macht hier keine Unterscheidung. Eine der Verfehlungen lässt sich allerdings tatsächlich auf die Taxibranche zurückführen. Die mit über einer Promille erwischte Taxilenkerin war für einen klassischen Taxibetrieb unterwegs. Wobei es sich dabei um keine Tiroler Taxilenkerin gehandelt haben soll, sondern um eine Fahrerin aus Salzburg. Gabriel Klammer ist es sehr wichtig, das zu betonen. An der fatalen Außenwirkung selbst ändert das allerdings nichts. jh DIE KONSEQUENZEN DES UKRAINE-KRIEGS Der Angriff Russlands auf die Ukraine und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen setzen Österreichs Taxigewerbe massiv zu. FOTO: Taxi 40100 Nach zwei Jahren Corona leidet die Branche. Allein in Oberösterreich sei die Leistungssicherheit von rund 850 Unternehmen mit mehr als 3.000 Fahrzeugen gefährdet. Nicht nur die explodierenden Spritpreise sorgen für Existenzängste der Taxibetriebe, so Gunter Mayrhofer, Kommerzialrat und Fachgruppenobmann des oberösterreichischen Beförderungsgewerbes mit Pkw. Die Probleme bei der Fuhrparkerneuerung aufgrund langer Lieferzeiten würde die Leistungs- und Existenzfähigkeit der Taxibranche beeinflussen. Mayrhofer appelliert daher an alle Verhandlungspartner, bei den anstehenden Tarifgesprächen Verständnis und Entgegenkommen für eine betriebswirtschaftlich realistische und unumgänglich notwendige Tarifanpassung zu zeigen, denn Zeit zum Luftholen bliebe keine mehr, da mit der ab 1. Juli avisierten Bepreisung des CO2-Ausstoßes das nächste Damokles-Schwert über der Branche schwebe. Das Beste aus der Situation versucht man derweil in Wien zu machen. „Der Krieg in der Ukraine macht uns alle sprachlos. Tatenlos zuzusehen, kommt für Taxi 40100 nicht infrage“, so Eveline Hruza, Generalsekretärin der Funkvermittlung Taxi 40100. Deshalb hat sich der Taxivermittler zu zwei Maßnahmen Für Flüchtlinge aus der Ukraine ist die Wiener Taxilenker*innen-Schulung kostenlos. entschlossen. „Als Soforthilfe stellen wir der Volkshilfe Wien Taxi- Gutscheine im Wert von 1.000 Euro zur Verfügung“, so Hruza. Die Volkshilfe sammelt Sachspenden und kümmert sich um die ukrainischen Flüchtlinge in Wien. „Wir danken Taxi 40100 für die tolle und wichtige Spende“, freut sich die Geschäftsführerin der Volkshilfe Wien, Tanja Wehsely, über die Unterstützung. Zugleich kommt diese Spende den Funkteilnehmern zugute, die die Gutscheine als Bezahlung für Fahraufträge erhalten. Als zweite Maßnahme verschenkt Taxi 40100 40 Ausbildungsplätze in der zentraleneigenen Taxischule an ukrainische Flüchtlinge. „Das ist Hilfe zur Selbsthilfe. Wir möchten den Flüchtlingen ermöglichen, in unserer schönen Stadt zu arbeiten und bald wieder finanziell auf eigenen Beinen zu stehen“, so Hruza weiter. Die Ausbildungen in der Taxischule haben einen Wert von insgesamt 18.400 Euro. Die Maßnahme kommt wiederum dem Gewerbe selbst zugute, da die angeschlossenen Unternehmen so an neues Fahrpersonal kommen. Als positiven Nebeneffekt erwartet man eine Erhöhung des Frauenanteils beim Fahrpersonal. Der größte Teil der erwachsenen Flüchtlinge ist weiblich. hs/ar TAXI 1. QUARTAL 2022 23

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