Wie sicher sind Trennschutzvorrichtungen im Falle eines Unfalls? Anders als bei serienmäßigen Sicherheitsvorrichtungen gibt es dazu noch keine Untersuchungen. GESUNDHEIT VS. UNFALLSICHERHEIT Beeindruckend schnell haben Taxiunternehmer reagiert und einfache Trennschutzlösungen installiert. Doch die Übergangsvariante wird zur Dauerlösung – und damit gewinnt der Aspekt der Crash-Sicherheit an Bedeutung. Seit der Definition des Abstandsgebots von 1 bis 2 Metern waren Taxiunternehmer in einem Dilemma. Einerseits bestand eine gesetzliche Vorgabe in Form der Betriebsund Beförderungspflicht, andererseits galt es, sich selbst, die angestellten Fahrer und die Fahrgäste zu schützen. Beeindruckend schnell haben deshalb viele Betriebe reagiert und in ihre Fahrzeuge einen Trennschutz eingebaut. Bei einer Abfrage durch Taxi Times für eine exklusive Übersicht haben Taxizentralen und Taxibetriebe bereits über 3.000 Taxis und Mietwagen mit einem eingebauten Trennschutz gemeldet (Stand Anfang Mai). Nicht weniger innovativ waren die Anbieter solcher Trennschutzlösungen. Vom Festeinbau bis zur Folie wird aktuell ein breites Spektrum produziert, nachzulesen in der großen Übersicht auf den nachfolgenden Seiten. Die beiden Hauptkriterien waren zu Beginn, dass es eine schnell einzubauende Vorrichtung sein sollte, die vor allen Dingen die Übertragung der Corona-Viren verhindern sollte. Die Nutzungsdauer war für vier bis fünf Wochen geplant. Der Trennschutz sollte eine Übergangslösung in einer Zeit sein, in der fundamentale Grundrechte außer Kraft gesetzt wurden – weshalb es auch niemanden interessierte, ob diese Varianten den Anforderungen an eine straßenverkehrsrechtliche Zulassungsvorgabe entsprechen würden. Wo kein Kläger, da kein Richter. Oder anders ausgedrückt: Wo kein Unfall, da kein Kläger. Doch mit zunehmender Dauer der Pandemie wurde klar, dass es noch viele Monate nötig sein wird, Taxis mit entsprechenden Schutzvorrichtungen auszustatten. Und damit rückte neben dem gesundheitlichen Aspekt (der sowieso nie zu 100 Prozent gesichert war) immer mehr der Aspekt der Verkehrssicherheit in den Vordergrund. Dies mit den Herausforderungen einer schnellen Verfügbarkeit unter einen Hut zu bringen, ist bis heute ein schmaler Grat, denn Zeit für die notwendigen Zertifizierungen der aktuellen Lösungen blieb bisher kaum. Folglich liegt es in der individuellen Verantwortung der Taxiunternehmer, für sich diejenige Trennschutz-Lösung zu finden, die eine ausreichende Nachhaltigkeit garantiert und die Verkehrssicherheit weiterhin gewährleistet. Diese wird je nach Material sehr unterschiedlich interpretiert. FOLIENLÖSUNGEN AUS DER WELT DES SEGELNS Die aktuell günstigsten Ausführungen sind aus Folie und starten bei rund 20 bis 30 Euro. Die preisliche Obergrenze bilden feste Trennwände, die dann auch teilweise über einen TÜV-Segen verfügen und ab rund 650 Euro zu bekommen sind. Prinzipiell lassen sich die verschiedensten Ausführungen grob in feste oder flexible Abtrennungen unterscheiden. Letztere bestehen zumeist aus durchsichtigen Folien, die aus dem Lkw- oder Segel-Bereich stammen und unproblematisch an die Fahrzeuge angepasst werden können. Die festen Trennwände unterscheiden sich in erster Linie durch das verwendete Material, Größe und die Art der Befestigung. Waren es zu Beginn noch Trennwände aus Acrylglas, besser bekannt als Plexiglas©, haben mittlerweile fast alle Anbieter nur mehr Polycarbonat, welches unter anderem auch als Makrolon© FOTO: ADAC 4 2. QUARTAL 2020 TAXI – Spezialausgabe Trennschutz
SCHUTZKONFLIKT gehandelt wird, im Repertoire. Befestigt wird mittels Kabelbinder an den Kopfstützen oder per Klettverschluss. Acryl und Polycarbonat weisen unterschiedliche Eigenschaften auf. Grundsätzlich ist Acrylglas als Rohstoff vergleichsweise günstig. Scheiben aus Polycarbonat sind circa 3-mal so teuer. Acrylglas hat zudem den Nachteil, dass es splittern kann. Verschiedene Prüfinstitute sehen das als potenzielle Gefahrenquelle für Fahrer und Fahrgast an. Professor Dr.-Ing. Bernhard Rief vom Institut für Kunststoffund Entwicklungstechnik (IKET) sieht bei der bunten Auswahl von Werkstoffen ganz klar Polycarbonat als den optimalen Werkstoff an. Wie Rief gegenüber Taxi Times berichtete, wird Polycarbonat auch in der Automobilproduktion eingesetzt. Das Plattenmaterial ist nahezu unzerbrechlich, hitzebeständig, selbstlöschend und feuerhemmend. Durch die Festigkeit ist die Platte auch gut zu bearbeiten und lässt sich mühelos biegen, ohne dass sie auf der Faltlinie reißt. Deshalb dürfte Polycarbonat bei einem längerfristigen Einsatz als Taxi-Trennwand auf Dauer mehr Freude machen. Die Freigabe durch einen technischen Sachverständigen ist für viele Taxiunternehmer ein wichtiger Aspekt bei der Kaufentscheidung. Neben der Materialbeschaffenheit müssen die verbauten Airbags in die Gesamtbetrachtung mit einbezogen werden. Wird die Abtrennung an der Sitzflanke herumgezogen, könnte die Funktion der Seitenairbags, die im Sitz oder der Türverkleidung verbaut sind, beeinträchtigt werden. Ebenso könnte Kopf und Vorhangairbag mit den Trennscheiben kollidieren. Um all diese Themen abschließend zu klären, ist eine Freigabe der bekannten Prüfstellen unabdingbar. Zahlreiche Anbieter bemühen sich derzeit intensiv um ein Sicherheitszertifikat. So oder so wird es weiterhin im Verantwortungsbereich des Taxiunternehmers liegen, das richtige Produkt sowohl für die Gesundheit als auch für die Verkehrssicherheit einzubauen. Bleibt zu hoffen, dass sich auch möglichst viele Hersteller um eine entsprechende Zertifizierung kümmern – auch wenn dann klar sein muss, dass es Lösungen für 40 Euro eventuell nicht mehr geben wird. sg BOKRAFT ERLAUBT TRENNSCHEIBEN Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) muss übrigens wegen eines Trennschutzes nicht geändert werden, denn die das PBefG ergänzende Verordnung BoKraft erlaubt nach wie vor den Einsatz von Trennscheiben und beschreibt sogar deren Beschaffenheit. Wörtlich heißt es im § 25, Abs. 3 der BoKraft: „3) Taxen und Mietwagen können mit einer Trennwand ausgerüstet sein, die zum Schutz des Fahrzeugführers ausreichend kugelsicher ist. Die Trennwand soll entweder zwischen den Vorder- und Rücksitzen angebracht sein oder den Sitz des Fahrzeugführers von den Fahrgastplätzen abteilen; sie darf versenkbar oder so beschaffen sein, dass ein Teil seitlich verschoben werden kann.“
Laden...
Laden...