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Taxi Times DACH - 2. Quartal 2020

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BERLINER INITIATIVE

BERLINER INITIATIVE Regine Günther, Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale infrastruktur REGINE GÜNTHERS ANTI-ECKPUNKTEPAPIER Die Verkehrssenatorin hat mit einer bundespolitischen Initiative zugunsten des Taxigewerbes überrascht. Vorausgegangen war geduldige Überzeugungsarbeit durch Gewerbevertreter. Der Trumpf war die Umweltschädlichkeit der Pseudo-Taxi-Anbieter. Das Vollzugsdefizit der Behörden bei Kontrollen illegal agierender Uber- und Free-Now-Partner empört seit Langem das Taxigewerbe, auch während der Corona-Krise. Das Land Hamburg hat längst vorgemacht, wie man das Problem bereits bei der Entscheidung über Ausnahmegenehmigungen betreffs Wegstreckenzähler unterbinden kann. In Berlin bekommt die Verwaltung vieles nicht auf die Reihe. Die Koalition ist über etliche Themen zerstritten, beispielsweise über den Berlkönig. Der Regierende Bürgermeister, auf der Beliebtheitsskala zeitweise tief gesunken, muss so tun, als wäre er mit seiner Verkehrssenatorin zufrieden. Diese ging bei Gesprächsanfragen aus dem Taxigewerbe lange auf Tauchstation und schickte ihren Staatssekretär vor. Gewerbevertreter mühen sich ab, Politiker und Entscheidungsträger in Verwaltungen über die Probleme der Taxibranche zu informieren und sie für die eklatanten Missstände zu sensibilisieren. Hermann Waldner etwa berichtete Taxi Times Berlin von Gesprächen mit Vertretern der Senatsverwaltungen für Finanzen, Inneres und Verkehr, die nicht an die große Glocke gehängt wurden, in denen er unter anderem die Bedenken des Gewerbes gegenüber den berüchtigten Eckpunkten des Bundesverkehrsministers darlegte. Verhandlungen sind manchmal genau dann erfolgreich, wenn sie hinter den Kulissen stattfinden und nicht nach allen Seiten Angriffsfläche bieten. Als Kehrseite wird dann manch positives Ergebnis nicht direkt als Resultat der Verhandlungen wahrgenommen. EIN „MANGELHAFT“ FÜR SCHEUER Ende Februar legte Verkehrssenatorin Günther auf einer Sitzung ein internes Papier vor, in dem sie das Scheuer’sche Eckpunktepapier zur Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) in Frage stellt und Gegenvorschläge macht, wobei etliche Forderungen vom Bundesverband Taxi und Mietwagen e. V. (BVTM) bekannt sind. In dem Papier stellt Günther fest, dass im Eckpunktepapier des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) von fünf angekündigten Themen nur eines inhaltlich näher ausgeführt werde, nämlich die „Modernisierung des PBefG unter dem Stichwort Digitalisierung“. Relevant seien dabei vor allem die Genehmigungspflicht digitaler Beförderungsdienstleister, die Einführung eines Sondergenehmigungstatbestands für „ÖPNV-Ridepooling-Dienste“ als „Sonderform des Linienverkehrs“ und die Abschaffung der Rückkehrpflicht für Mietwagen nebst Erlaubnis zur Einzelplatzvermietung. Es folgt eine „Bewertung“, die die wichtigsten Argumente und Warnungen der Taxiverbände in Bezug auf die Pseudo-Taxi- Anbieter und die geplante Marktliberalisierung enthält: „Bedenkt man, dass sich die bestehende Regulierung des Mietwagenverkehrs daraus erklärt, dass ein Abstand zum Taxigewerbe bestehen soll, mangelt es den BMVI-Eckpunkten an Erklärungen, mit welchem Ziel und mit welchen Folgen insbesondere für das Taxigewerbe der bisherige Abstand ‚eingeebnet’ werden soll.“ Entscheidend sei aus Landessicht, „dass Kommunen ‚on-demand-Verkehre’ als Nahverkehr bestellen können müssen, wenn sie der Daseinsvorsorge dienen. Hingegen sollen Angebote außerhalb des ÖPNV, die in der Regel rein kommerziell betrieben werden, nur dort zugelassen werden, wo sie nach den Maßgaben verkehrspolitischer FOTOS: Wilfried Hochfeld, Hayrettin Şimşek / Taxi Times 10 2. QUARTAL 2020 TAXI - Regionalausgabe Berlin

BERLINER INITIATIVE Rahmensetzungen vor Ort […] einen Beitrag zur umwelt- und stadtverträglichen Mobilität leisten.“ Aus letztem Absatz geht hervor, dass man zwar Anbieter wie Uber und Free Now einschränken bzw. die Möglichkeit dazu schaffen möchte, dass aber der „Berlkönig“ (der die Straßen entgegen deren Vorstellungen voller macht statt leerer) weiterhin Teil des Berliner Nahverkehrs bleiben soll. Das wird im nächsten Absatz nochmals deutlich, wo es als „maßgeblich“ bezeichnet wird, den bundesrechtlichen Rahmen so zu „justieren, dass die neuen Mobilitätsformen dann zum Einsatz kommen können, wenn sie einen Beitrag zur Verkehrswende leisten, d. h. als nachhaltiges und stadtverträgliches Verkehrsmittel ausgestaltet sind.“ Auch Barrierefreiheit soll privilegiert werden. Dann der Satz, der die vielleicht wichtigste Korrektur des Eckpunktepapiers beinhaltet: „Andernfalls müssen die Kommunen den Einsatz der neuen Mobilitätsformen steuern und ggf. auch begrenzen können.“ Scheuer hatte letztes Jahr vorgeschlagen, die Kommunen über die Rückkehrpflicht entscheiden zu lassen. „ARTENSCHUTZ FÜR TRADITIONELLE TAXEN“ Ein Kommentar von Stephan Berndt Wenn dieser Überschrift des „Tagesspiegel“ vom 26.2. noch der Einfluss der Desinformations-Kampagne der neuen Mobilitätsanbieter anzumerken war, so ist doch Bewegung in die Debatte gekommen, bevor Corona zum alles beherrschenden Thema wurde. Die Pläne des Senats sind ebenso begrüßenswert wie langwierig. Zum Thema Inklusionstaxen will der Senat eine Veränderung erreichen und „eine Gesetzgebungskompetenz für die Länder (im Bundesrecht) WAS IST „STADTVERTRÄGLICH“? Günthers Papier geht einen entscheidenden Schritt weiter und will den Kommunen ermöglichen, Pseudo-Taxi-Anbieter zu „steuern“ und gegebenenfalls zu „begrenzen“, bei nicht ausreichendem Schutz der öffentlichen Interessen auch deren Genehmigung zu versagen. Wer beurteilen soll, ob ein Dienst einen Beitrag zur Verkehrswende leistet, lässt das Papier allerdings offen. Was bezüglich Verträglichkeit für den ÖPNV im öffentlichen Interesse liegt, dürfe jedenfalls nicht Bundesrecht regeln, sondern gehöre in die Entscheidungsgewalt der Kommunen und Landkreise. Ferner fordert das Papier für Verkehrsanbieter außerhalb des ÖPNV eine Aufzeichnungspflicht zur Ermöglichung einer „aufwandsarmen“ Kontrolle der Einhaltung der Vorgaben sowie eine Berechtigung des Staates, diese Daten anonymisiert zur Verkehrsplanung zu nutzen. Zudem wird explizit verlangt, dass „‚Rosinenpickerei’, die zu wesentlichen Nachteilen beim ‚klassischen’ ÖPNV führt oder die Funktionsfähigkeit des etablierten, flächendeckenden Taxiverkehres bedroht“, verhindert wird. Ein eigener Absatz ist dem Thema Inklusionstaxis gewidmet. Hier wird bemängelt, dass das Thema im Eckpunktepapier nicht auftaucht, obwohl in vielen Städten und Landkreisen, auch in Berlin, erhebliche Defizite bestehen. Hier bestehe „dringender Handlungsbedarf im Bundesrecht, da den Ländern die Gesetzgebungskompetenz fehlt, um eigene Vorgaben für barrierefreie Taxen zu treffen“. Als Beleg wird eingeräumt, dass die in Berlin angebotene Förderung noch „keine ausreichenden Anreize“ setzt (denn sie wird bisher kaum in Anspruch genommen). Daher wird gefordert, den Ländern eigenständige gesetzliche Regelungen zu ermöglichen. Es müsse verankern, um eigene Vorgaben für barrierefreie Taxen treffen“ zu können. Die Formulierungen zum Thema Pseudo-Taxi-Anbieter zeigen große Schnittmengen mit den Argumenten der Gewerbevertreter. Die geplante PBefG-Novellierung wäre ein „erheblicher Wettbewerbsnachteil“ für das Taxigewerbe. Die gewerbepolitische Arbeit des BVTM und der Berliner Taxiverbände, aber auch das Flaggezeigen der KollegInnen auf der Straße, tragen Früchte. sb verhindert werden, dass etwa Menschen, die darauf angewiesen sind, im Rollstuhl sitzend in ein Taxi rollen zu können, auf Dauer von flexibler Mobilität ausgeschlossen bleiben. Das Papier soll unter anderem in der Verkehrsministerkonferenz sowie durch „Austausch im parlamentarischen Raum und mit Verbänden“ diskutiert und später im Bundesrat eingebracht werden. KEINE AUSNAHMEN MEHR FÜR MIETWAGEN Inzwischen folgt Berlin dem Hamburger Vorbild: Wie Verbandsvertreter kürzlich aus Senatskreisen erfahren haben, ist die Pflicht zum Einbau von Wegstreckenzählern in Mietwagen bei der Verkehrsverwaltung fest beschlossen worden. Auch hierzu gab es Gespräche zwischen Hermann Waldner und Regine Günther. Die Umsetzung hängt allerdings am Eichamt, das für das Projekt zu wenig Personal hat. Für dessen Bewilligung ist wiederum die Wirtschaftsverwaltung zuständig. Hier fordert das Taxigewerbe nun die Schaffung weiterer Stellen. ar SHK-Rechtsanwälte Martina Schweickhardt Rechtsanwältin & Notarin Notariat Verkehrsrecht Strafrecht Zivilrecht Daniel Herbst Rechtsanwalt Nachodstraße 19 10779 Berlin (im Erdgeschoss) Telefon: 030 / 210 023 40 André Klemm Rechtsanwalt TAXI - Regionalausgabe Berlin 2. QUARTAL 2020 11

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