TAXIZENTRALEN EINE CORONA- MASSNAHME, DIE EINZIGARTIG BLIEB Obwohl sich die 50/50-Vermittlung während der Corona-Pandemie bewährt hat, blieb die Taxizentrale Nürnberg mit diesem Modell einzigartig. Warum eigentlich? Mit dem Radikal-Lockdown im März 2020 kam der sturzflugartige Umsatzeinbruch. In den Städten fand nur noch jede fünfte Taxifahrt statt, der Rest der Fahrgäste hatte mangels Veranstaltungen, eingestellter Reisetätigkeiten und geschlossener Restaurants keinen Bedarf mehr an individueller Personenbeförderung. Entsprechend hoch fiel auch der Auftragsrückgang bei den Taxizentralen aus, die teilweise nur noch 20 Prozent des vorherigen Auftragsvolumens erreichten. Relativ schnell hatte darauf die Nürnberger Taxizentrale reagiert, indem man die sogenannte 50/50-Vermittlung eingeführt hatte. Fortan galt, dass an ungeraden Tagen nur die Taxis mit ungeraden Taxi-Konzessionsnummern von der Zentrale vermittelt wurden, an geraden Tagen Taxi-Konzessionen mit geraden Zahlen. Am 31. Kalendertag eines Monats durften alle am Funk teilnehmen. Natürlich gab es zu Beginn internen Widerstand, doch die beiden Vorstände Christian Linz und Reinhold Gast konnten die Unternehmer mit vielen Argumenten überzeugen, die sich in der Realität dann auch schnell bewahrheiteten. So waren durch die Funkteilung in der Spitzenzeit nie mehr als 150 Taxis auf der Straße, was es den Unternehmen ermöglichte, zumindest jeden 2. Tag hinreichenden Umsatz zu erwirtschaften, der in etwa dem Umsatz des Normalbetriebes Die Nürnberger 50/50-Regelung wurde auch vom Amtsgericht für rechtens befunden. entsprach. Taxiunternehmen mit Personal waren außerdem in der Lage, für die Nichteinsatzzeit den Mitarbeiter kurzarbeiten zu lassen. „Damit besteht die Möglichkeit, dass jedes Geschäftsmodell die derzeit existenzielle Krise ökonomisch aushalten und überstehen kann“, hatte die Taxizentrale in einem damaligen Rundschreiben an die Nürnberger Taxiunternehmer mitgeteilt und diese wohl auch überzeugt, denn im August 2020 hatten bei einer schriftlichen Mitgliederbefragung über 70 Prozent für eine Beibehaltung der Regelung gestimmt. Juristisch gesehen war diese Maßnahme durchaus Neuland. Das war auch einer der Gründe, warum die Taxizentrale Nürnberg die einzige Vermittlung geblieben ist, die das bis zur aktuellen Aufhebung der Corona-Beschränkungen konsequent durchgezogen hat. „Wir haben uns das damals nicht getraut“, gab Iordanis Georgiadis, Vorstand der Stuttgarter Taxizentrale, während des Gründungstreffens der Erfa-Gruppe Taxizentralen zu. Dort hatten die Nürnberger Vorstände als Gastgeber einen Rückblick auf ihr Projekt gegeben. Anschließend wurde darüber diskutiert, warum man damit einzigartig geblieben ist. MITGLIEDERKLAGE OHNE ERFOLG Georgiadis war sich nicht sicher, ob diese Maßnahme auch vor Gericht standhalten würde, wenn die Mitglieder beispielsweise ihre Beiträge kürzen würden. Reinhold Gast von der Taxi Nürnberg eG konnte dazu berichten, dass man einen solchen Prozess vor dem Amtsgericht Nürnberg gewonnen hatte. Dort hatte man gegen zwei Taxiunternehmer geklagt, die eigenmächtig die Funkgebühren um die Hälfte gekürzt hatten. Deren Argumentation war, wenn sie nur noch zur Hälfte eines Monats an der Vermittlung teilnehmen dürften, müssten sie auch nur die Hälfte der Gebühren bezahlen. Gast hielt dagegen, dass man dann an den Tagen, an denen sie vermittelt würden, die doppelte Summe bezahlen müsste, da für sie aufgrund des Ausschlusses der anderen 50 Prozent auch die doppelte Anzahl an Fahrten übrigblieb. Das sah dann letztendlich auch das Gericht so, die beiden Unternehmen mussten die gekürzten Beträge nachzahlen (AZ 30C 1300/21 + 2410/21). Sie waren zudem aufgrund ihrer eigenmächtigen Kürzung auch aus der Genossenschaft ausgeschlossen worden, was vor Gericht ebenfalls standgehalten hat (AZ 35C 1932/21 + 1933/21). Hinterher FOTO: Taxi Nürnberg eG 18 2. QUARTAL 2022 TAXI
TAXIZENTRALEN Die alternierende Auftragsvermittlung zu Coronazeiten haben die Mitglieder der Nürnberger Taxizentrale in einer Abstimmung bejaht. hatte dann auch der Genossenschaftsverband Bayern bestätigt, dass eine 50/50-Vermittlung satzungskonform ist. Rechtliche Bedenken waren für andere Taxizentralen dagegen weniger der Grund für deren Zögern. Viele haben in ihren Städten eine ganz andere Konstellation vorgefunden. Bei der Taxi München eG beispielsweise machen die vermittelten Funkaufträge nur ein prozentual geringes Volumen der Gesamt-Tourenzahl aus, berichtete deren Vorstand Thomas Kroker. Das liegt unter anderem auch daran, dass in der bayerischen Landeshauptstadt ein dichtes Netz an Standplatztelefonen vorhanden ist. Diese werden zwar von der Taxizentrale betrieben, doch die Kunden rufen an der Säule an und bestellen ihren Wagen direkt beim Fahrer des vordersten Taxis. Andere Taxizentralen hatten schlicht und einfach das Problem, dass sie – anders wie in Nürnberg – nicht die einzigen Vermittler sind und daher die Angst zu groß war, den eigenen Teilnehmer an die Wettbewerbszentrale zu verlieren. Vor allen Dingen in den Städten, in denen Free Now aktiv ist, wollte keine etablierte Zentrale das Risiko eingehen. „Den Effekt, dass die Unternehmer ihre Fahrzeuge an jedem zweiten Tag stehen lassen, hätten wir in München wahrscheinlich nicht gehabt“, vermutet Kroker. „Dann wären die Kollegen an den vermittlungsfreien Tagen eben bei Free Now tätig gewesen.“ So sieht es auch Georgiadis aus Stuttgart. Er hatte damals in Gesprächen mit der Aufsichtsbehörde versucht, für alle Konzessionen eine abwechselnde Betriebserlaubnis zu erreichen, doch die Behörde hatte sich dazu nicht durchringen können. Immerhin erlaubten viele Behörden eine zunächst unbefristete Befreiung von der Betriebspflicht. So auch in Hannover, wie Wolfgang Pettau, Chef von Hallo Taxi 3811 in Hannover, beim Treffen der Erfa-Gruppe Taxizentralen berichtete. „Daraufhin haben viele Taxibetriebe ihre Fahrzeuge stillgelegt und die Mitarbeiter in Kurzarbeit Null geschickt. Wir sind Ihnen dann entgegengekommen und haben für diesen Zeitraum auf die Funkgebühren verzichtet.“ Das hat den Unternehmern letztlich sehr geholfen, der Zentrale blieben allerdings fest einkalkulierte Einnahmen versagt. In Nürnberg seien dagegen während der Corona-Pandemie kaum Taxis stillgelegt worden, berichtete Reinhold Gast – und die Zentrale musste auch auf keine Gebühren verzichten. Trotzdem bleibt Nürnberg in Sachen 50/50-Vermittlung ein Einzelfall – hoffentlich auf immer und ewig, denn wenn Covid-Ausbrüche weiterhin einen so milden Verlauf nehmen, werden die Vermittlungszahlen in den Taxizentralen wahrscheinlich nie mehr so einbrechen, dass man eine 50/50-Regelung einführen muss. In Nürnberg läuft übrigens seit Mitte August 2021 auch wieder alles seinen gewohnten Gang. Die Vermittlungszahlen haben zumindest tagsüber und in den Wochenendnächten wieder das Niveau von früher. jh TAXIGEWERBE WILL AN DIE ÖPNV-FÖRDERTÖPFE FOTO: BVTM Das Taxigewerbe kämpft um finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand. Das neue Personenbeförderungsgesetz (PBefG) sieht eine solche Hilfe explizit vor. Dafür müssen jetzt die Landes-Nahverkehrsgesetze angepasst werden. Mit dieser Forderung geht der Bundesverband Taxi und Mietwagen (BVTM) in die Offensive. Hintergrund: Mit der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes im vergangenen Jahr wurden neue Formen der Mobilität ermöglicht – der Linienbedarfsverkehr sowie der gebündelte Bedarfsverkehr. „Damit unterliegt das Taxi auch hier den ÖPNV-Pflichten. Es kann aber nicht sein, dass nur Pflichten fixiert werden und bei der Finanzierung macht sich Vater Staat einen schlanken Fuß“, Michael Oppermann vom BVTM forderte beim deutschen Nahverkehrstag ÖPNV-Subventionen für das Taxi. der Tarifpflicht gesetzlich genau reglementiert, beschreibt Oppermann den Ist- Zustand und nennt die Notwendigkeit für eine künftige Integration des Taxis: „Dort, wo heute leere Busse übers Land fahren, kommt ein Taxi wie gerufen. Diese Form der On-Demand-Mobilität ist oft günstiger für den Staat und komfortabler für die Menschen.“ Oppermann fordert daher, dass solche flexiblen Mobilitätskonzepte in die ÖPNV-Finanzierung aufgenommen werden sollen, damit sie auch in dünn besiedelten Regionen funktionieren. „Die öffentliche Hand muss hier schnellstmöglich eingreifen, denn sonst geben noch mehr Taxiunternehmen auf – und dann bleibt vielen Menschen auf kritisierte Michael Oppermann, Geschäftsführer des Bundesverbands Taxi- und Mietwagen (BVTM), bei einem Auftritt während eines dreitägigen ÖPNV-Kongresses in Koblenz. „Busse und Bahnen werden von Vater Staat großzügig bezuschusst. Das Taxi ist Teil des ÖPNV, aber bei der Finanzierung außen vor. Das muss sich ändern, wenn es auch künftig individuelle Mobilität für alle rund um die Uhr geben soll“, lautete Oppermanns Credo. Das Taxi sei zugleich die personalintensivste Form der Beförderung dem Lande nur noch der Umstieg aufs eigene Auto. Das kann nicht gewollt sein.“ Auf dem Nahverkehrstag in Koblenz legte der Bundesverband Taxi und Mietwagen daher ein umfangreiches Konzept vor, wie in den einzelnen Landesverkehrsgesetzen der Länder eine entsprechende Finanzierung Taxi-Konzept für den Nahverkehrsplan. und werde mit der Beförderungs-, der Betriebs- und umgesetzt werden könnte. jh TAXI 2. QUARTAL 2022 19
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