TAXITARIFWENN DAS PBEFGDIE BEHÖRDENÜBERFORDERTDer Fall Altöttinghat gezeigt, wie sehrBehördenträgheitTaxibetriebe inExistenznot bringenkann. GewerbevertreterChristian Linz erläutert,wie viele Parameterbei einer Tarifanpassungzu beachten sind.Im bayerischen Landkreis Altöttingmusste eine Taxiunternehmerin einigesin Bewegung setzen, um etwas ziemlichSelbstverständliches zu erreichen, was zurDaseinsvorsorge und damit zu den Pflichtendeutscher Behörden zählt: eine Anpassungdes Taxitarifs (siehe Seite 6-8). Das Ergebniswar eine Tariferhöhung Anfang September– die dritte in 23 Jahren. Entsprechenddeutlich fielen die Preissteigerungen beiden letzten drei Tarifanpassungen aus.Für Christian Linz, den Geschäftsführerdes Landesverbandes Bayerischer TaxiundMietwagenunternehmen e. V., war diejüngste Anpassung nur folgerichtig, dochden Weg dorthin sieht auch er im Nachhineinals außergewöhnlich umständlich an.„Mit den Tarifen ist es gerade im flächengrößtenBundesland Bayern nicht so einfach,denn wir haben 71 Landkreise und25 kreisfreie Städte. Das macht 96 Genehmigungsbehörden,für die der Taxitarif einkleiner Teil eines riesigen Aufgabengebietesist. Viele der Behörden arbeiten hochprofessionell,bei einigen wenigen würdenwir uns bei der Umsetzung des PBefG bzw.beim Umgang mit dem Gelegenheitsverkehraber mehr Professionalität und Tempowünschen“, beschreibt Linz die Situation.ALLE ZWEI JAHRE NEUER TARIFIm Unterschied zu einer Behörde ist einGewerbeverband auf seinen einen Themenkomplexspezialisiert und hat einen genauenPlan, wie eine Anpassung des Taxitarifsabzulaufen hat. „Da die Kosten für Taxiunternehmennahezu permanent steigen, sollteauch der Taxitarif spätestens alle zweiJahre angepasst werden – ebenso wie dieanderen ÖPNV-Tarife. Eine Erhöhung erstnach drei Jahren ist in meinen Augen wenigersinnvoll, da sie dann drastischer ausfällt,was immer eine abschreckendeWirkung auf die Kundschaft hat. Bei Erhöhungenim zweistelligen Bereich ist nachunseren Beobachtungen ein Aufschrei zubefürchten.“ Wie drastisch so etwas zuBuche schlagen kann, ist am Beispiel Altöttingbesonders deutlich zu sehen, wo dieletzten Tarifanpassungen 2013, 2022 undeben Anfang September 2024 erfolgten.Christian Linz weiß, dass es sowohlleichter durchsetzbar als auch für die Kundschaftleichter zu verkraften ist, wenn einTaxitarif jährlich um wenige Prozent erhöhtwird. In jedem Falle müsse ein Tarif „sinnvolldurchkalkuliert“ sein. Er spricht voneinem „Genehmigungsritual“, das für diezuständigen Behörden Routine sein müsse.So beziehen sich alle Tarifverordnungenim ersten Artikel bzw. Paragraphen stetsauf Paragraph 51 des Personenbeförderungsgesetzes(PBefG), der die „Beförderungsentgelteund -bedingungen imTaxenverkehr“ regelt und der Landesregierungerlaubt, „durch RechtsverordnungBeförderungsentgelte und -bedingungenfür den Taxenverkehr festzusetzen“ und dieErmächtigung durch Rechtsverordnung anFOTO: Pixabay / Joergelman104. QUARTAL 2024 TAXI
TAXITARIF»Mit den Tarifenist es gerade imflächengroßen Bayernnicht so einfach [...].«Christian LinzTABELLE: Hans Rühle FOTO: taxi times„Stellen“ wie Kreis- oder Stadtverwaltungenzu übertragen – wovon alle Bundesländermit Ausnahme der beiden StadtstaatenBerlin und Hamburg sowie den Landesregierungenvon Bremen und dem SaarlandGebrauch machen.Um das Zustandekommen einer Tarifanpassungverständlich zu machen, gibtChristian Linz Einblick in den Prozess. Werist formal antragsberechtigt? Die Verbändesind es sinnvollerweise nicht, denn die sindanhörungsberechtigt, und beides zugleichergäbe einen Interessenskonflikt. „Ein Verbandkann ja nicht eine selbst ausgearbeiteteTarifanpassung beantragen und die dannim Anhörungsverfahren als unglaublichgut beurteilen, das wäre eine Farce.“ Dochauch die Unternehmen haben nicht die Aufgabeoder das Recht, eine Tarifänderung zubeantragen, obwohl sie Betroffene sind. Formalgibt es gar kein Antragsrecht, wie Linzerläutert. Der Tarif wird nicht auf Antragangepasst, sondern von selbst („ex officio“),im eigenen Auftrag und durch Wachsamkeitder Behörde – theoretisch. Realistischgeht der Impuls aber meist doch von Betriebenoder Verbänden aus, da in Behördenauch nur mit Wasser gekocht wird.AUSKÖMMLICHE UMSÄTZEDas Ziel von Tarifanpassungen sind immerauskömmliche Umsätze, mit denen alleTaxiunternehmen ihre Ausgaben deckenund einen angemessenen Gewinn erwirtschaftenkönnen. Zunächst muss hierfür dieaktuelle Taxikosten-Inflation berechnet werden.Dazu dient ein standardmäßiger„Warenkorb“, dessen Preis zum Zeitpunktder letzten Tarifänderung mit dem aktuellenPreis verglichen wird. Daraus ergibt sichin der Regel eine prozentuale Kostensteigerungder überwiegenden Posten. Dazu zählenunter anderem Fahrzeug-Beschaffung,Kfz-Versicherung, Kfz-Steuer, Kosten fürKapitalbeschaffung, Kraftstoff bzw. Strom,Garagenmiete, Steuerberater und vielesmehr, was regelmäßig im Preis steigt. EineAusnahme bildete in letzter Zeit bei allenTarifen der Dieselpreis, denn er lag 2022deutlich höher als heute. Ein Teil sind zeitabhängigeKosten, ein Teil variable.Aufgrund dieser Komplexität brauchtes nach Linz’ Erfahrung alleine um diedrei Tage für eine solide Kalkulation. Ernennt auch Beispielzahlen. Die Anschaffungskostenfür ein Standard-Taxi lagen imJahr 2022 bei 27.700 Euro netto. Damalswar das eine E-Klasse von Mercedes-Benz,Modellreihe „Das Taxi“ mit einem Rabattvon 21,5 Prozent. Da diese bekanntlichnicht mehr als Taxi verkauft wird, dientheute gemäß einer Fahrzeugklasseneinstufungdes Kraftfahrtbundesamtes ein Volvoals Vergleichswert.GEWINN VON 10 BIS 15 PROZENTSo wie das Standard-Taximodell werdenauch in den anderen Kategorien stets diegleichen Warenkorb-Inhalte zum Vergleichherangezogen, um die Preissprünge zubeziffern. Aus der Summe der Preissteigerungen– oder ausnahmsweise der Preissenkungenim Fall der Energiekosten,wobei Kraftstoffpreise kurzfristig undkaum berechenbar schwanken – ergibt sichschließlich eine Zahl von beispielsweiseacht Prozent durchschnittlicher Steigerung,die von der Behörde genehmigtwerden und in den neuen Taxitarifeinfließen muss, indem dieGrund- und Kilometerpreiseentsprechend angepasst undauch die Minutenpreise fürdie Wartezeit angehobenwerden können. Eine andereRechnung betrifft dieZuschläge, deren Bedarfsich wiederum aus ganzanderen Parametern ergibt.Laut Paragraph 39 PBefGmuss die Genehmigungsbehördedie Auskömmlichkeitdes Taxitarifs feststellen.Die Kosten der UnternehmenChristian Linz, Geschäftsführer desLandesverbandes Bayerischer Taxi- undMietwagenunternehmen e. V.müssen gedeckt werden und es muss einGewinn von erfahrungsgemäß 10 bis 15Prozent möglich sein.Das Ergebnis, also der letztendlich verordneteTarif, soll nach Meinung von Linzimmer so übersichtlich und unkompliziertwie möglich aufgebaut sein. „Keep it simpleand stupid“, so sein Motto, also einmöglichst „idiotensicherer“ Tarif, den alleBeteiligten einfach nachvollziehen können.Preiserhöhungen sollten nach seinemDafürhalten so auf die einzelnen Preiseinnerhalb des Tarifs verteilt werden,dass keine Zahl zu abschreckend wirkt.Anstelle einer zu starken Anhebung desGrundpreises könnte es beispielsweisesinnvoll sein, die ersten Kilometer höherzu berechnen. In großflächigen Landkreisen,wo die durchschnittliche Länge einerFahrt höher liegt, lässt sich ein Teil diesesGewichts auch auf die „späteren“ Kilometerverteilen. Degressionsstufen bietenalso durchaus sinnvolle Gestaltungsmöglichkeiten.uTAXI 4. QUARTAL 202411
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