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Taxi Times DACH - 2. Quartal 2024

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TAXI INTERNATIONALMARKT-LIBERALISIERUNG:DAS SCHEITERN EINERLEICHTSINNIGEN IDEEPer Deregulierung wollte Finnland den Ablauf der Personenbeförderung demMarkt überlassen. Doch statt von fairem Wettbewerb wird der Taxiverkehr jetztvon kriminellen Clans dominiert.Für eine umfassende Reportage hatYleisradio, die öffentlich-rechtlicheRundfunkanstalt Finnlands, diedort nur Yle genannt wird, Ende letztenJahres eine Reihe von Straftaten wie Drohungenund Gewalt aufgedeckt. Yle interviewtezehn Taxifahrer, die im GroßraumHelsinki für größere, etablierte Gesellschaftenwie Taksi Helsinki oder Lähitaksi arbeiten.Hintergrund: Als die Regierung 2018den Personenbeförderungsmarkt liberalisierte,bestand Zuversicht, dass der Marktdas Geschäft regeln würde. Eingetreten isteher das Gegenteil: Es herrschen zum Teilwildwestartige Zustände. Einige kriminelleTaxibetreiber haben die Stadtgebiete aufgeteiltund bedrohen Kollegen an den Halteplätzen.In der Yle-Reportage wird Klartextgesprochen. „Ich weiß, wo du wohnst. Ichverfolge dich schon seit Langem. Wenn dunoch einmal hierherkommst, bringe ichdich um.“ Dies ist eine der Drohungen, dieAleksi, ein Taxifahrer aus der Hauptstadtregion,an einem Taxistand in Helsinki,wo er üblicherweise Fahrgäste aufnimmt,erhalten hat. Man habe versucht, ihm insGesicht zu treten.Die Drohungen und Gewalttaten erfuhrer nicht von Fahrgästen, sondern von anderenTaxifahrern. Aleksi möchte nicht mitseinem echten Namen genannt werden, daer um seine Sicherheit fürchtet. Alle zehnvon Yle Befragten haben angegeben, dasssie auf unterschiedliche Weise bedroht wurden,als sie versuchten, einen „falschen“Bereich zu befahren. Fahrer von „Schurkentaxis“– also Taxis, die nicht von bekanntenTaxiunternehmen betrieben werden – hättenbegonnen, Helsinki in territorialeFOTO: Pixabay404. QUARTAL 2024 TAXI

TAXI INTERNATIONALTaxihalteplatz amHauptbahnhof von HelsinkiDie finnischeEntwicklung solltenneoliberale Politikerin Deutschlandund Österreich,die den Taximarktliberalisierenmöchten, alsWarnung verstehen.FOTO: Axel RühleGebiete aufzuteilen. Die Betreiber versuchen,andere daran zu hindern, auf die vonihnen kontrollierten Taxistände zu fahren.„In den letzten drei Jahren haben dieseunseriösen Taxifahrer bestimmte Bereicheübernommen, beispielsweise rund um denHauptbahnhof, das Einkaufszentrum Triplaund einige Nachtclubs. Sie haben ihreeigenen Regeln und Kartelle“, sagt Aleksi.„Ich habe aus Sicherheitsgründen aufgehört,Taxi zu fahren. Als meine Tochter mitVergewaltigung und Mord bedroht wurde,beschloss ich, den Job aufzugeben“, sagtKimmo. Auch er sprach mit Yle nur unterder Bedingung der Anonymität.FRAGWÜRDIGE METHODEN„Es ist eine traurige Situation“, sagt MikaelKaasinen, der seit den 1990er-JahrenTaxi fährt, über das Verhalten einiger Taxifahrerrund um den Hauptbahnhof. „Es istein Basar, der mich so anwidert, dass ichnicht mehr dorthin fahre. Letztens war vormir ein Block aus Autos und ich konnteweder rein noch raus. Nach einer Weilekonnte ich hinein, aber ich wurde darangehindert, meine Arbeit zu tun.“ Kaasinenbemerkt, dass sich rund um Bahnhof einWarteschlangensystem für Fahrer entwickelthat, das, wie er es formuliert, mit„fragwürdigen Mitteln“ betrieben wird.Seine Beobachtungen werden von denanderen interviewten Fahrern bestätigt.In einer Filmreportage über die Zuständeim Taxigewerbe musste Yle die Gesichterder Kunden und Fahrer sowie die Autokennzeichenunkenntlich machen. DieFahrer berichteten, dass ein Kunde, wenner sich dem Stand nähert, von einem „Steward“empfangen wird, der ihn zu einembestimmten Wagen führt. Das ist in einemVideo zu sehen. „Wenn ein Kunde versucht,dieses System zu umgehen, und sich beispielsweisefür ein Markentaxi entscheidet,gibt es viel Geschrei und Beschwerden“, soAnnukka, eine erfahrene Taxifahrerin. InFinnland haben Kunden wie in Deutschlanddas Recht, am Halteplatz das Taxi freizu wählen.Auch Annukka bat aus Sicherheitsgründenum Anonymität. Die ständigen Konflikteund die unangenehme Atmosphäream Bahnhof und an den Tripla-Standplätzenhätten dazu geführt, dass sie beideBereiche bewusst meidet. „Es würde michnicht überraschen, wenn dort jemand versehentlichrückwärts in mein Auto fahrenwürde. Ich wurde am Bahnhof gefragt, waszum Teufel ich hier mache. Ich habe ganzsachlich geantwortet, dass ich genau dasGleiche versuche wie die anderen, nämlichmeinen Lebensunterhalt zu verdienen.“Andreas Grönman von der PolizeibehördeHelsinki sagte, die Probleme in derTaxibranche hingen mit der explosionsartigenZunahme der Zahl der Taxifahrer nachder Marktliberalisierung 2018 zusammen.„Diese Bedrohungen könnten Ausdruck desverschärften Wettbewerbs sein“, so Grönman.Die Polizei sei auf das widerrechtlicheWarteschlangensystem am Hauptbahnhofaufmerksam geworden. „Wir haben eineArt Allianz im kleinen Maßstab beobachtet,die auf gegenseitigem Einverständniszu beruhen scheint.“ Das hat auch TaxifahrerinLeena beobachtet. „Es gibt eindeutigein oder zwei Leute, die andere herumkommandieren.Ich denke, das könnte ein Hinweisauf Clankultur oder mafiaähnlichesVerhalten sein, auch wenn nicht auszuschließenist, dass den Personen die Autosgehören.“ Leena bat ebenfalls um Anonymität.Annukka sah einmal einen Mann amBahnhofshalteplatz, der Geld von Taxifahrernafrikanischer Herkunft einforderte,aber keinen der anderen Fahrer ansprach.GEWALT GEGEN FRAUENViele der interviewten Taxifahrerinnen und-fahrer sprachen auch von Drohungen undGewalt gegen Frauen im Taxigewerbe,da runter ein Übergriff im Sommer 2022:Leena wurde brutal ins Gesicht geschlagen.„Ich habe lange gebraucht, um mich vondem Angriff zu erholen.“ Sie sei an allemöglichen Beschimpfungen und Beleidigungengewöhnt, aber körperlich angegriffenzu werden, und das von einemmännlichen Kollegen, habe ihr Sicherheitsgefühlwirklich erschüttert. Die polizeilichenErmittlungen dauern noch an. NachYle-Informationen fährt der mutmaßlicheAngreifer noch immer Taxi.Annukka erzählte Yle, wie sie am Bahnhofeinmal den hinteren Bereich ihres Auto-Innenraums putzte, als plötzlich jemanddie Tür heftig zuschlug, sodass sie eingeklemmtwurde. „Sie hassen mich wie diePest. Natürlich sehe ich es nicht als Problem,dass ich eine Frau bin und Taxi fahre.Aber für manche Leute scheint das ein großesProblem zu sein“, sagte Annukka.Laut Sylvia Akar, Dozentin für NahostundIslamwissenschaften an der UniversitätHelsinki, vertreten einige der konservativerenInterpretationen des Islam die Ansicht,„dass es Berufe gibt, die für Frauen geeignetsind oder die nicht für Frauen geeignetsind“. Taxifahrer sei ein Beruf, in demman männliche Kunden bedienen mussund auf sich allein gestellt ist. „Nicht jederhält das für einen wünschenswerten odergeeigneten Job für eine Frau“, erklärte uTAXI 4. QUARTAL 202441

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