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Taxi Times DACH - 3. Quartal 2020

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PBEFG-NOVELLE DAS TAXI

PBEFG-NOVELLE DAS TAXI BRÖCKELT Seit Wochen werden die von der Findungskommission vorgeschlagenen elf Eckpunkte für eine Novellierung des PBefG vom Taxigewerbe heftig kritisiert. Wir erläutern Punkt für Punkt die Absichten und Gefahren. Kaum waren die Eckpunkte Ende Juni veröffentlicht, „war die Taxibranche schon wieder auf dem Baum“, wie es eine Bundestagspolitikerin formulierte. Doch nicht nur das: „Jene Politikerin wollte die Aufregung zunächst gar nicht verstehen“, schilderte ein Taxifunktionär gegenüber Taxi Times seine Eindrücke eines vertraulichen Gesprächs im August mit jener Dame. Man habe dann Punkt für Punkt die Gefahren der einzelnen Pläne durchgesprochen und sei schließlich doch noch – wenigstens teilweise – auf Verständnis gestoßen. Solch eine Überzeugungsarbeit wird noch an vielen Stellen geleistet werden müssen, bei der Politik ebenso wie bei den Taxikunden. Vor allen bei jenen, die durch das Mobilitätsraster fallen, sollte die Taxibranche tatsächlich wegnovelliert werden. Ein liberalisiertes Personenbeförderungsgewerbe würde die mobile Grundversorgung für Senioren, für Gehandicapte und für sämtliche Bürger in ländlichen Bereichen nicht mehr gewährleisten können. Deshalb ist es wichtig, die Schwachstellen dieser Pläne deutlich anzusprechen, denn die Eckpunkte dienen als Basis für die Erarbeitung eines Referentenentwurfs, den das Bundesverkehrsministerium aktuell erarbeitet und im Herbst vorlegen will. Taxi Times erläutert nachfolgend Punkt für Punkt in chronologischer Reihenfolge alle elf Punkte. ECKPUNKT 1: Eindeutige Regelung der genehmigungsfreien Mitnahme Gefahrenpotenzial für den Fortbestand des Taxigewerbes: keine Gefahr DIE PLÄNE IN SCHLAGWORTEN Konkrete Definition der Entgeltgrenze für genehmigungspflichtige Personenbeförderung: Gesamtentgelt aller Fahrgäste höher als 30 Cent pro zurückgelegtem Kilometer. WAS BEDEUTET DAS KONKRET? Wie bisher auch soll die Beförderung von Personen nur dann unter das PBefG fallen, wenn das Gesamtentgelt die Betriebskosten nicht übersteigt. Künftig will man allerdings die Höhe der Betriebskosten genau definieren, indem man sich am Wert des Kilometersatzes für dienstliche Fahrten orientiert (§ 5 des Bundesreisekostengesetzes). Konkret: Liegt das Entgelt für Personenbeförderungen unterhalb von 31 Cent pro zurückgelegtem Kilometer, müssen für solche Fahrten keine Taxi- oder Mietwagengenehmigungen vorliegen. Der Verweis auf das BRKG soll „dynamisch“ definiert sein. Wenn sich dort also der Pauschalbetrag verändert, wird er auch im PBefG angepasst. Die vorgeschlagene Formulierung „Gesamtentgelt aller Fahrgäste“ wurde wohl bereits im Hinblick auf die geplanten Pooling-Verkehre gewählt. Damit ist sichergestellt, dass ein Personenbeförderer aus der Genehmigungspflicht fällt, indem er das Beförderungsentgelt pro Person auf 30 Cent oder geringer ansetzt. Explizit festhalten will der Gesetzgeber an jener Formulierung im § 1 PBefG, in der auch jene Personenbeförderungen als genehmigungspflichtig definiert sind, die zwar unterhalb des Selbstkostenpreises einer Fahrt liegen, durch die allerdings dem Beförderer sogenannte mittelbare Vorteile entstehen. Würde man diesen Zusatz weglassen, könnten beispielsweise Hotels ihre Shuttle-Dienste zum Flughafen oder Bahnhof künftig ohne eine Mietwagengenehmigung durchführen. AUSWIRKUNGEN Diese Präzisierung des §1 PBefG dürfte zu keinerlei Diskussionen führen und am aktuellen Status quo des § 1 PBefG nichts ändern. ECKPUNKT 2: Einordnung bedarfsgesteuerter Pooling-Dienste des ÖPNV als Linienverkehr Gefahrenpotenzial für den Fortbestand des Taxigewerbes: punktuelle Überschneidungen mit der Zielgruppe Taxi, aber auch Chance zur Kooperation DIE PLÄNE IN SCHLAGWORTEN Bedarfsgesteuertes ÖPNV-Pooling soll als Linienverkehr über § 42 PBefG regulär genehmigungsfähig sein. Es gilt die Betriebs- und Beförderungspflicht. WAS BEDEUTET DAS KONKRET? Schon heute lassen sich Pooling-Fahrten bzw. sogenannte On-Demand-Dienste im FOTOS: Adobe Stock / nerthuz, Adobe Stock / Rokfeler 6 3. QUARTAL 2020 TAXI

PBEFG-NOVELLE Ein Münchner Beispiel eines ÖPNV-Pooling. Rahmen der gültigen Gesetze durchführen – entweder nach § 2, Abs. 7 des PBefG („Experimentierklausel“) oder nach § 42 PBefG, dann definiert als „a-typischer Linienverkehr“ in Verbindung mit § 2, Abs. 6. Allerdings hatten die Genehmigungsbehörden bisher viele Spielräume, wie das PBefG in diesem Fall auszulegen ist. Was einige erlaubten, lehnten andere kategorisch ab. Zahlreiche Kommunen und Landkreise sowie die ÖPNV-Betreiber hätten mit der neuen Regelung Rechtssicherheit und könnten ihre On-Demand-Dienste als Linienverkehr durchführen. Bei der Vergabe könnte das Taxigewerbe jederzeit berücksichtigt werden: entweder wenn es als Gewinner einer Ausschreibung direkter Partner wird oder als Subunternehmer für die Verkehrsgesellschaft, die den Zuschlag für die Linie erhalten hat. AUSWIRKUNGEN Auf das Taxigewerbe hätte diese Regelung keine direkten Auswirkungen. Kommunen werden ihr ÖPNV-Angebot bedarfsorientierter gestalten und pfiffige Taxibetriebe könnten hier als Partner ein zweites Standbein aufbauen – sofern man ihnen Pooling nicht explizit verbietet (siehe Eckpunkt Nr. 4) ECKPUNKT 3: Genehmigungsfähigkeit von Pooling-Diensten außerhalb des ÖPNV Gefahrenpotenzial für den Fortbestand des Taxigewerbes: hoch, wenn die Kommunen eine zu laxe Pooling-Quote definieren oder deren Einhaltung nicht kontrollieren DIE PLÄNE IN SCHLAGWORTEN Privates Pooling soll eigene Verkehrsart werden; ausschließlich für Fahrten des Bestellmarktes; damit Schaffung einer Rechtsgrundlage für bedarfsgesteuerte Sammel-Dienste außerhalb des ÖPNV. Einzelsitzplatzvermietung wird erlaubt, keine Rückkehrpflicht, auch keine Betriebs- oder Beförderungspflicht; Kommunen erhalten Möglichkeit der Steuerung dieser Verkehrsdienste. Kommunen erhalten die Möglichkeit, für auftragslose Pooling-Fahrzeuge eine Rückkehrpflicht und deren Ausgestaltung zu regeln sowie einen Tarifkorridor mit Höchst- und Mindestpreisen festzulegen. Kommunen müssen zur Sicherstellung der Verkehrseffizienz eine Poolingquote festlegen und über ein Monitoring kontrollieren. Möglichkeit einer Kontingentierung sowie zeitlicher/räumlicher Beschränkungen der neuen Poolingverkehre und Vorgaben von Sozialstandards. WAS BEDEUTET DAS KONKRET? Pooling soll als dritte Verkehrsart neben Taxis und Mietwagen also nicht nur für kommunale (Eckpunkt 2), sondern auch für private Anbieter erlaubt sein. Für Moia & Co. wird damit der bisher fehlende Rechtsrahmen geschaffen, der Umweg über die Experimentierklausel (§ 2, Absatz 7 PBefG) ist dann nicht mehr nötig. Rückkehrpflicht, Verbot der Einzelplatzvermietung, Betriebs- und Beförderungspflicht werden für private Pooling-Anbieter aufgehoben. Dieser totalen Liberalisierung werden lediglich einschränkende Steuerungsmöglichkeiten durch die Kommunen entgegengesetzt. Damit wird den Kommunen ein Instrument für den Schutz ihrer eigenen kommunalen (Pooling-)Verkehre an die Hand gegeben. Das Pooling soll durch eine Quote reguliert werden. Hier wird es besonders darauf ankommen, wie man das im Detail definiert. Für Michael Oppermann vom Bundesverband Taxi und Mietwagen e. V. ist entscheidend, dass Pooling steuerbar ist und kein Wildwuchs entsteht. Vor allen Dingen dürfe die Poolingquote keine Mogelpackung werden, mahnt Oppermann im Gespräch mit Taxi Times. „Wenn im Schnitt nicht mindestens zwei Fahrgäste mitfahren, ist es aus meiner Sicht kein Pooling.“ Entscheidend ist darüber hinaus auch, dass die Kommunen die Poolingverkehre und dessen vorgeschriebene Quote verlässlich kontrollieren. Daran zweifeln viele aus der Taxibranche. Sie fürchten, dass die Kommunen damit ebenso überfordert sind, wie das aktuell auch bei der Kontrolle der Rückkehrpflicht für Mietwagen der Fall ist. Wo nicht kontrolliert wird, besteht die große Gefahr, dass die dritte Verkehrsart mehrheitlich Einzelbeförderungen durchführt – und damit Taxi und Mietwagen kannibalisiert. AUSWIRKUNGEN Der Verkehr wird sich durch die Fahrzeuge der privaten Poolinganbieter noch mehr verdichten. Aus umweltpolitischer Sicht u FOTOS: MVG, Moia »Wenn im Schnitt nicht mindestens zwei Fahrgäste mitfahren, ist es kein Pooling.« TAXI 3. QUARTAL 2020 7

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