E-TAXI UNTERM RADAR Irgendwie hat niemand den Mustang Mach-E als Taxi auf dem Schirm, dabei bringt der Viertürer bereits auf dem Papier gute Voraussetzungen für den Taxieinsatz mit – was er dann auch bei den Testfahrten bestätigte. Einige Leser werden jetzt sagen, ein Ford-Mustang-Taxi gab es doch schon mal. In der Tat wurde vor etwa vier Jahren ein zweitüriger Mustang mit Verbrenner im Rahmen eines PR-Stunts als Taxi „verkleidet“. Das Auto, über das wir heute schreiben, teilt sich jedoch nur den Namen mit dem klassische Pony-Car. Entsprechend war unsere erste Begegnung mit dem elektrischen Ford Mustang von Irritation geprägt: „Das soll ein Mustang sein? Was ist das überhaupt für ein Auto?“ Tatsächlich macht es einem Ford nicht ganz leicht. Erst bei näherem Betrachten offenbart sich der Kern des Mustangs, obwohl das Konzept altbekannt ist. Vier Türen, eine große Heckklappe und Platz für fünf Personen. Allerdings ist die Umsetzung recht ungewohnt. So gibt es beispielsweise keine richtigen Türgriffe mehr. In den Innenraum gelangt man über einen Sensorschalter. Die Türen springen dann einen kleinen Spalt auf und können per Hand geöffnet werden. Hinterm Lenkrad fühlt man sich sofort wohl und nutzt den ersten Moment, um sich umzuschauen. Dabei entdeckt man ein kleines flaches Display, auf dem die wichtigsten Daten wie beispielsweise das Tempo oder die zulässige Höchstgeschwindigkeit angezeigt werden. Auch die Frage zur Reichweite wird vom kleinen Display hinter dem Lenkrad beantwortet. Die getestete First-Edition-Variante mit dem 99-kWh-Akku verspricht auf dem Papier eine Reichweite von 540 Kilometern nach WLTP, innerorts sollen sogar bis zu 642 Kilometer möglich sein. In der Realität ist das aber utopisch, zumindest bei Temperaturen um den Gefrierpunkt während unserer Testfahrten. 400 Kilometer waren hier aber immerhin möglich. Als Verbrauch gibt Ford für den 351-PS-Testwagen mit Extended-Range- Batterie im Mix schlanke 18,7 kW pro 100 Kilometer an (WLTP). Über der Mittelkonsole schwebt ein vertikal angeordnetes, großes Display, über dessen Touch-Fläche die gesamte Elektronik des Mach-E gesteuert wird. Bis auf wenige Ausnahmen ist die Bedienung intuitiv und übersichtlich gehalten. Auch wenn man die Anleitung nicht im Vorfeld studiert hat, kann man sofort die Fahrt antreten. Insgesamt ist der Mach-E kein Auto, was den Fahrer überfordert. Reinsetzen und losfahren ist kein Problem. Der Startknopf ist an der gewohnten Stelle zu finden und die Fahrtrichtung wird über ein Drehrad in der Mittelkonsole angewählt. Die Sitze im Testwagen überfordern den Rücken auch nach vielen Stunden einer Taxischicht nicht. Ein interessantes Feature ist die Öffnung des Fahrzeugs per siebenstelligem PIN-Code. Er wird auf einem Ziffernfeld in der B-Säule eingegeben. Gestartet wird der Wagen dann mit einem separaten PIN-Code, der auf dem zentralen Display eingegeben wird. Für den Fahrerwechsel an der Ladesäule eine optimale Vo raussetzung. Zusätzlich kann der Wagen auch via Bluetooth mit dem Smartphone geöffnet werden. Alternativ gibt es selbstverständlich noch einen klassischen Schlüssel. DER FAHREINDRUCK Ist man dann auf der Straße, kann zwischen drei unterschiedlichen Fahrmodi gewählt werden: aktiv, zahm und temperamentvoll. Manch einer mag sich darüber belustigen, aber man darf auch nicht vergessen, dass es sich um einen Mustang handelt. Die Fahrleistungen, insbesondere die Beschleunigung, sind in jeder Variante enorm. Abgeregelt sind die elektrischen Mustangs bei 180 km/h. Als Standard ist bei jedem Neustart der zahme Modus angewählt. Beim Fahren wirkt der Wagen aber keineswegs zugeschnürt oder gedrosselt. Der wirklich große Unterschied zu den anderen Fahrmodi liegt in der grafischen Benutzeroberfläche und der farblich in einem kühlen Blau gehaltenen Ambientebeleuchtung. Das Ziffernfeld leuchtet nur auf, wenn man sich dem Wagen nähert. Wählt man den temperamentvollen Fahrmodus, dann FOTOS: Ford, Taxi Times 26 4. QUARTAL 2021 TAXI
E-TAXI Der Innenraum ist serienmäßig mit Kunstleder ausgestattet. Unser Testwagen hatte die Sonderfarbe Atoll-Blau Metallic. Ein Taxipaket ist werkseitig noch nicht vorgesehen, doch erste Funkwerkstätten haben bereits grünes Licht für einen Taxiumbau gegeben. färbt sich die Beleuchtung rot und ein synthetischer V8-Sound brüllt bei voller Beschleunigung aus den Lautsprechern. Das junge Discopublikum dürfte das ähnlich gut finden wie unser siebenjähriger Mitfahrer während der Testfahrten. Für den reiferen Fahrgast ist das eher ein Tabu. In puncto Fahrkomfort gibt es dann auch nichts zu meckern. Einen beträchtlichen Anteil am guten Raumgefühl hat – neben den Ledersitzen – auch das optionale Panoramadach, das es nicht in Verbindung mit Heckantrieb gibt und das von außen lediglich als schwarz abgesetztes Dach wahrgenommen wird. Ausreichend Platz bieten auch die drei Sitzplätze im Fond. Speziell der Sitzplatz in der Mitte bietet für die Füße erstaunlich viel Platz. Das liegt daran, das man im Mustang Mach-E auf einen Mitteltunnel verzichten konnte. Ein klares Zeichen dafür, dass der Wagen als reines E-Auto konstruiert wurde. Platz bieten auch die beiden Kofferräume. Der hintere unter dem Schrägheck hat ein Fassungsvermögen von bis zu 500 Litern. Den Kofferraumboden kann man auf Wunsch in zwei Positionen arretieren, und bei einem noch größeren Platzbedarf lässt sich die zweigeteilte Rücksitzbank vom Kofferraum aus umlegen. Unter der vorderen Haube befindet sich ein weiterer kleiner Kofferraum. Er fasst bequem das Ladekabel und kleinere Taschen. Geöffnet wird das vordere Kofferraumabteil mit einer klassischen Entriegelung, die man allerdings zweimal ziehen muss. Muss man mit dem Mach-E an die Ladesäule, kann man mit Wechselstrom maximal 10,5 kW laden. An Gleichstrom sind je nach Ausstattung zwischen 115 und 150 Kilowatt Ladestrom möglich. Damit ist innerhalb von zehn Minuten Strom für weitere 100 Kilometer geladen und der Mach-E bereits in einen Bereich vorgestoßen, in dem die Ladestopps nicht den Betrieb aufhalten. Auf der Fernstrecke, die zwar eher taxifremd ist, schlägt das eingebaute Navigationssystem circa alle 200 Kilometer einen Ladestopp vor. Dann wird in der Regel empfohlen, Strom für die nächsten 200 Kilometer nachzuladen, was keine 20 Minuten dauert. Das ist so schnell möglich, weil der Wagen nachladen will, wenn der optimale Akkustand oder auch State of Charge (SOC) für das Schnellladen erreicht ist. Nur dann kann mit der maximalen Ladeleistung geladen werden. Häufigeres Nachladen kostet im Zweifel also weniger Zeit. Bleibt nach so vielen guten Nachrichten nur noch der Preis. Der Einstieg kostet beim Mustang 47.500 Euro brutto abzüglich des Herstelleranteils am Umweltbonus in Höhe von 3.750 Euro. Dafür bekommt man die Batterie Standard Range, die für 440 Kilometer gut sein soll. Der Wagen verfügt über eine E-Maschine mit 269 PS Leistung, die an die Hinterräder abgegeben wird. Für 54.750 Euro ist die nächste Ausbaustufe erhältlich, die zwar nicht schneller beschleunigt, aber über den großen Akku und 25 mehr PS verfügt. Der Verbrauch bei der Batterie-Extended-Range-Version mit Heckantrieb wird mit schlanken 16,5 kWh pro 100 Kilometer angegeben. In der Testwagen-Konfiguration als Allradfahrzeug kostet der Mach-E rund 67.000 Euro brutto, kommt dafür aber auch mit zwei Motoren, 351 PS und entsprechender Ausstattung daher. Aus Preis-Leistungs-Sicht hat der Mach-E als Taxi definitiv eine Chance verdient. Vielleicht wird es in Zukunft heißen: „Ford Mustang? Den gab es doch früher auch mal als Zweitürer mit Verbrennungsmotor.“ Ein Taxipaket ab Werk gibt es derzeit noch nicht. Jürgen Weberpals, der in Köln eine Funkwerkstatt betreibt, hat aber bereits bestätigt, dass eine Umrüstung durchaus möglich ist. sg WEITERE TAXI- TAUGLICHE E-MODELLE Toyota Mirai als Wasserstofftaxi. Kia EV6 mit Taxipaket VW ID.3 in Hellelfenbein. TAXI 4. QUARTAL 2021 27
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