Der Saal beim BZP- Zukunftskongress war voll – die Politiker saßen in der ersten Reihe. NIEMAND HAT DIE ABSICHT, TAXIS ABZUSCHAFFEN Beim Zukunftskongress des BZP herrschte unter den Verkehrspolitikern ungewohnte Einigkeit: Taxi ist Daseinsvorsorge. Braucht es dann Gesetzesänderungen? Der Deutsche Taxi- und Mietwagenverband (BZP) hatte am 21. Juni im NH-Hotel in Berlin-Mitte zu einem Zukunftskongress eingeladen. Der Saal war voll, und es waren – wie sonst so häufig – bei Weitem nicht nur Funktionäre gekommen. Vielen Unternehmern war es wichtig, die Diskus sion der Verkehrsexperten der Bundespar teien über die Zukunft des Taxigewerbes hautnah mitzuerleben. Zunächst gab BZP-Präsident Michael Müller in seiner Begrüßung klar den Rahmen vor: Während sich viele, oft ohne viel Verständnis vom Taxigewerbe zu haben, mit der Modernisierung der Personenbeförderung beschäftigten und dabei mitunter den Eindruck erweckten, das Taxi stünde dem im Wege, erwarte er heute von den anwesen den Politikern klare Positionen. Nach der Diskussion müsste allen klar sein, wie die Parteien zur geplanten Reform des PBefG stehen und was das Taxigewerbe von ihnen zu erwarten habe. MENSCHLICHE KOMPETENZ Gerald Meyer, Wirtschaftsjournalist beim rbb, moderierte die Veranstaltung souve rän und in der Sache gut informiert. Der äu ßere Rahmen war geprägt durch die Kampagne „Verlässlich ist modern“. Pla kate, Info- Flyer und kurze Info- Clips zeigten das Zusammenspiel modernster Vermittlungstechnik und menschlicher Kompetenz als das Wesen des Taxigewerbes. In einer ersten Gesprächsrunde saßen Thomas Sell vom langjährigen BZP-Partner Telekom, Hermann Waldner, Vizepräsident des BZP und Chef der Zentrale von Taxi Berlin TZB GmbH, sowie Taxiunternehmerin Sabine Ernst aus Berlin (sie ist eine der Werbefiguren der BZP-Kampagne) zusammen. Sie beschrieben das Taxi als hochmoderne und trotzdem auch menschliche Dienstleistung, bei der immer der Kunde im Mittelpunkt steht. Der Konkurrenz mit dem U im Namen gehe es ausschließlich um Profit. Sie wolle mit Dumpingpreisen Kunden locken und dem Taxigewerbe durch „Rosinenpicken“ schaden, indem nur lukrative Fahrten übernommen werden. Sei der Markt erst mal beherrscht, würden die Preise diktiert. Verlässlich sei hingegen das Taxi. Ziel der Veranstaltung war es aber, die Politiker zu Wort kommen zu lassen, weshalb beim zweiten Gesprächspodium wichtige VerkehrspolitkerInnen der Bundestagsparteien diskutierten: Sabine Leidig (Die Linke), Kirsten Lühmann (SPD) und Stephan Kühn (Bündnis 90/Die Grünen) – alle Mitglieder des Bundestages seit 2009 und verkehrspolitische Sprecher Innen ihrer Fraktionen. Komplettiert wurde die Runde durch Michael Donth von der CDU/CSU, MdB seit 2013 und Mitglied des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur. Während der Diskussion gelang es Gerald Meyer und dem rege mitdiskutierenden Publikum ganz vortrefflich, die Politiker klar ihre parteilichen „Ziele der Digitalisierung“ in der Personenbeförderung formulieren zu lassen. Die Linke, SPD und Grüne ließen in erstaunlicher Einmütigkeit keinen Zweifel daran, den Ordnungsrahmen im Wesentlichen beibehalten zu wollen, um die Dienstleistung Taxi im Sinne der Daseinsvorsorge, das heißt zur Sicherung von Teilhabemöglichkeiten der gesamten Bevölkerung, zu schützen. Das Taxi sei Teil des ÖPNV. Quasi als „Gegenleistung zur Bereithaltepflicht“ müssten „Taxileistungen im Sinne der Daseinsvorsorge im Interesse der Bürger bezuschusst werden“ (Kühn). FOTOS: Wilfried Hochfeld, Taxi Times 10 JULI / 2017 TAXI
GEWERBEPOLITIK DIGITALISIERUNG IST ENTWICKLUNG BZP-Präsident Müller spricht sich dafür aus, dass Digitalisierung nach fairen Regeln im Interesse von Mensch und Umwelt stattfinden müsse. Unter dem Slogan „Digitalisierung ist Entwicklung“ fasste er das Taxigewerbe in acht Punkten zusammen: 1. Im Mittelpunkt steht der Kunde (bekommt maßgeschneidertes Taxi, kann Fahrer bewerten). Gesprächsrunde 1: „Der Kunde steht im Mittelpunkt.“ Moderator Gerald Meyer, Thomas Sell, Hermann Waldner und Taxiunternehmerin Sabine Ernst 2. Taxi überwindet Barrieren (persönlicher [Telefon-]Kontakt weiter möglich, Spracheingabe für Sehbehinderte, Taxi für alle). Digitalisierung müsse genutzt werden, um „das öffentliche Verkehrssystem zu verbessern, Verkehrsträger zu vernetzen und das Bezahlen einfacher zu machen“. SPD-ÄRGER ÜBER UBER Frau Lühmann „ärgert sich darüber, dass Uber so tue, als hätten sie die Digitalisierung erfunden“. Tatsächlich würden unter diesem Deckmäntelchen „Beschäftigte ausgenutzt“. Digitalisierung müsse aber für alle Mehrwert schaffen, der Ehrliche dürfe nicht der Dumme sein. Eine einfache Taxi- App ist ihr zu wenig, notwendig sei eine „Mobilitäts- App“. Einer solchen Plattform, die im Interesse der Kunden Verkehrsträger vernetzt, stehen Frau Leidig zufolge allerdings die „Eigeninteressen“ der neuen Kon kurrenten im Weg. Sie betont die Verantwortung der öffentlichen Verkehrs träger, das richtige Netzwerk mit den rich tigen Partnern zu schaffen. Lühmann nennt auch die Antreiber hinter der geplanten Reform: „Interesse an der Liberalisierung hat die Autoindustrie.“ Die Hauptbedrohung des Taxigewerbes sei das autonome Fahren, die Personenbeförderung ein lukrativer Markt, der mit autonom fahrenden Fahrzeu gen selbst organisiert werden soll. Das PBefG ist nach den Aussagen der anwesenden Linken-, SPD- und Grünen- Politiker ein unverzichtbares Regelwerk, ohne das es die notwendige Dienstleistung Taxi nicht länger geben würde. „Tarifpflicht, Betriebspflicht, Beförderungspflicht – alle wollen daran festhalten“ (Leidig). Einzig Michael Donth von der CDU/CSU bezog, allen Sympathiebekundungen fürs Taxi zum Trotz, nicht eindeutig Stellung gegen die geplanten Reformen. Da war sie dann wieder, die Politikerrhetorik, bei der nichts eindeutig ist und die immer ein Hintertürchen offen lässt. Die Digitalisierung sei Fakt, daher müsse das PBefG „angepackt“ werden, um es „an die technischen Möglichkeiten anzupassen“. Man müsse besser zwischen urbanem und ländlichem Raum unterscheiden. Obwohl das PBefG ein Bundesgesetz sei, würde es in den Kreisen ausgeführt. Auf dem Land kann er sich durchaus „private Lösungen“ vorstellen. Es sei absurd, ein Taxi am Bahnhof bereitzuhalten, wo nur zwei bis drei Mal die Woche ein Kunde erscheint, und dies dann noch mit öffentlichen Mitteln zu unterstützen. Da wurden alle Gewerbevertreter hellhörig. Allerdings sprach sich Donth ganz klar für die Tarifpflicht aus und widersprach wenigstens in diesem Punkt den Vorstellungen der Monopolkommission. TAXI IST KOMPLEX Die Komplexität der Taxibranche wurde auch bei dieser Veranstaltung deutlich. Ab und zu verrieten falsch verwendete Begrifflichkeiten, dass den Politikern nicht alle fachspezifischen Unterscheidungen geläufig sind. Der BZP-Vize präsident Hermann Waldner machte allen noch einmal deutlich, dass Verkehrspolitiker ein sehr weites Feld zu beackern haben und unmöglich immer die gesamte und überaus komplizierte Sachlage des Ord nungsrahmens und der Aufgaben des Taxi gewerbes in der Weise durchdringen können, wie es die Experten aus dem Gewerbe tun. Vielmehr sei es die Aufgabe der Interessenvertreter, die Politiker in den Details zu informieren und Lösungsvor schläge zu unterbreiten. In diesem Sinne war es eine außergewöhnlich erfolgreiche Veranstaltung. sb 3. Taxi ist innovativ (schneller beim Kunden, weniger Leerfahrten, Taxi- Sharing). 4. Taxi ist europaweit verfügbar (taxi.eu-App in 13 Ländern mit 60 000 Taxis, auf dem Weg zu einem einheitlichen Bestell system für ganz Europa). 5. Taxi ist Datenschutz (kein Datensammeln und –verkaufen). 6. Taxi steht für sichere und abgesicherte Arbeitsplätze in mittelständischen Unternehmen (nicht für Rendite erwartungen von Investoren). 7. Taxi ist ökologisch (Fahrten bündeln, Leerkilometer vermeiden, Elektro-Taxis etablieren). 8. Taxi hält ländlichen Raum mobil (Anruf-Sammel-Taxis ergänzen regionalen ÖPNV). Michael Müller TAXI JULI / 2017 11
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