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Taxi Times DACH - Juli 2017

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RECHT RECHTS- FEHLERHAFT

RECHT RECHTS- FEHLERHAFT UND RECHTS- WIDRIG Wie soll eine Genehmigungsbehörde bewerten, ob die Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes nach § 13 Abs. 4 PBefG noch gegeben ist? Ein Urteil in Karlsruhe zeigt, worauf man alles achten muss. Die Geschichte beginnt am 30. Dezember 2014: Damals beantragte ein Mietwagenunternehmer zehn Taxikonzessionen bei der Stadt Karlsruhe. Die zuständige Genehmigungsbehörde hatte den Antrag sieben Monate später abgelehnt. Begründung: Durch die Ausgabe weiterer Konzessionen würde man die von der Stadt festgesetzte Höchstzahl an Taxikonzessionen überschreiten. Das wiederum führe dazu, dass die Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes nicht mehr gewährleistet sei. Zu diesem Schluss kann eine Behörde kommen, nachdem sie bestimmte Faktoren untersucht hat – zum Beispiel die Auftragslage, die Ertragslage, die Arbeitszeiten, die Taxidichte und die Anzahl der Geschäftsaufgaben. So steht es im § 13 Absatz 4 des Personenbeförderungsgesetzes (PbefG). In solchen Fällen darf dann ein Antrag auf Erteilung zusätzlicher Taxikonzessionen abgelehnt werden. AUS ZEHN WERDEN 24 KONZESSIONEN Dieses Szenario spielt sich so oder sehr ähnlich in nahezu allen Gemeinden ab, in denen die Anzahl der Taxikonzessionen begrenzt ist. Bis vor Kurzem auch noch in Karlsruhe – bis der Mietwagenunternehmer gegen seinen Ablehnungsbescheid klagte und das Verwaltungsgericht Karlsruhe nach mündlicher Verhand lung am 19. Juni 2017 ein Urteil veröffentlichte, wonach die Stadt sehr wohl jene zehn Taxikonzessionen ausgeben muss (AZ 3K 2922/16). Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, die »Das Argumentationsgerüst des Ordnungsamts wurde Stütze für Stütze demontiert.« Rechtsmittel-Frist war bei Redaktionsschluss noch nicht abgelaufen. Björn Weiße, Leiter des zuständigen Ordnungs- und Bürgeramts, gab gegenüber den „Badischen Neuesten Nachrichten (BNN)“ zu bedenken, dass es nicht nur um die Erteilung von zehn zusätzli chen Konzessionen gehe. Man müsse nun auch die Unternehmer-Anträge für 24 Lizenzen berücksichtigen, die vor dem Kläger auf der Warteliste stünden. „Wie das Gericht dazu kommt, dass dies keine Folgen hat, erschließt sich nicht,“ wird Weiße in den BNN zitiert. Wie aber konnte es überhaupt so weit kommen? Warum war es für das Mietwagenunternehmen so einfach, die Klage zu gewinnen? Für das Verwaltungs gericht ist der Fall klar: Der maßgebliche Sachverhalt wurde weder vollständig noch zutreffend ermittelt. Somit ist die Festlegung der höchstens zuzulassenden 220 Taxis rechtswidrig. Das Argumentationsgerüst des Ordnungsamts wurde Stütze für Stütze demontiert – vor allem das im Jahr 2015 erstellte Kurzgutachten „Beurteilung des Taxigewerbes und Prognose“. Dort kommt die Stadt zu dem Schluss, dass aufgrund diverser Faktoren eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit nach § 13 Absatz 4 PBefG nicht auszuschließen sei. Man habe daher die Zahl der Genehmi gungen auf 220 Taxis begrenzt. In Karlsruhe gibt es seit 1980 konstant 213 Taxis. Da im Falle einer Genehmigungserteilung erst noch 24 andere Bewerber von einer Warteliste berücksichtigt werden müssten, müsse man den Antrag des Mietwagenunterneh mers ablehnen, argumentierte die Stadt. FOTO: Fotolia / rcfotostock 18 JULI / 2017 TAXI

RECHT Diese Ablehnung wurde vom Gericht nun komplett ins Gegen teil gedreht. Der Ablehnungsbescheid wurde nicht etwa zur erneu ten Überprüfung zurückgewiesen, sondern die Stadt explizit verpflichtet, die Konzessionen zu genehmigen. In einer bemerkenswert ausführlichen Urteilsbegründung zerpflückte das Gericht etliche Schlussfolgerungen der Behörde. Diese hatte beispielsweise die Anzahl der Beförderungs aufträge als ruckläufig bezeichnet (von 450 000 auf 400 000). Im Urteil werden jedoch seitenweise Rechen- und Bezugsfehler nach gewiesen mit der richterlichen Erkenntnis, dass die Anzahl der Fahrten sogar zugenommen habe. Als weitere Beispiele für behörd liche Fehlinterpretationen nannte das Gericht den Vergleich mit der Mietwagenbranche, anderen öffentlichen Verkehrsmitteln und dem eigenen Pkw. Die Zahl zugelassener Mietwagen ist von 2010 bis 2015 von 120 auf 89 Konzessionen gesunken. Die Stadt nannte für den Rückgang keine Gründe, sah dies jedoch als Indiz für eine schwächere Auftragsnachfrage an. Das Gericht hingegen meinte, man könne den Rückgang auch so deuten, dass dies zu zusätzlichen Marktanteilen des Taxigewerbes führen könnte. Also mehr anstatt weniger Aufträge. Eine von der Stadt nachgewiesene gestiegene Nutzung anderer Verkehrsmittel lasse, so die Stadt, auf weniger Taxibedarf schließen. Unakzeptabel, sagt das Gericht. Das Taxi fungiert als Ergänzung des ÖPNV, nicht als Ersatz. Schließlich sieht man auch im Rückgang der zugelassenen Privat- Pkw einen Vorteil für das Taxigewerbe. Also auch wieder eher mehr als weniger Aufträge. ÜBERSCHÜSSE SIND NICHT AUSREICHEND Wenn eine Genehmigungsbehörde die Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes nach § 13 Abs. 4 PBefG überprüft, muss sie dabei auch die Entwicklung der Ertrags- und Kostenlage unter Einbeziehung der Einsatzzeit berücksichtigen. Die Stadt kommt laut Befragung der Bestandsunternehmer (104 von 128) zu dem KURZKOMMENTAR Weil ihre zuständige Behörde den § 13 Abs. 4 PBefG zu schlampig anwendete, müssen Karlsruher Taxiunternehmen jetzt mit mehr Taxikonzessionen leben. Vielleicht droht ihnen sogar die Aufhebung der bisherigen Kontingentierung – gleichbedeutend mit dem totalen Wertverlust aller aktuellen Karlsruher Konzessionen. Das wäre für alle bedauernswert. Wirklich für alle? Zwischen den Zeilen dieses Urteils steht nämlich auch, was bereits in der mündlichen Verhandlung offen angesprochen wurde: In Karlsruhe gibt es zu viele unplausibel agierende Taxibetriebe. Wenn jetzt die Anzahl der Konzessionen erhöht wird, muss gleichzeitig eine kompetente und wirksame Überprüfung aller Taxi unternehmer erfolgen. So, wie das bisherige Personal des Ordnungsamtes seine Aufgaben bisher interpretiert, dürfte das aber nicht gelingen. Es sei denn, man zieht auch auf Seiten der Stadtpolitik die notwendigen Konsequenzen aus diesem Urteil und stockt die Stellen auf: am besten mit Beamten mit fundierten betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Kenntnissen. Wenn dann die schwarzen Schafe nach und nach vom Taximarkt verschwinden, könnte sich das VG-Urteil im Nachhinein sogar doch noch als Glücks griff erweisen. jh Ergeb nis, dass die erwirtschafteten Überschüsse nicht im Mindesten ausreichend seien. Das Gericht vertritt die Meinung, dass die für die Einschätzung zugrunde liegenden Daten nicht richtig ermittelt und nicht rechtsfehlerfrei bewertet wurden. Als Basis dienten nämlich lediglich die Angaben der Bestandsunternehmer – diese seien aber „kritisch zu hinterfragen“, weil es im Interesse der Unternehmer liege, von Konkurrenz verschont zu bleiben. Es haben auch nur 81 Prozent aller Karlsruher Taxiunternehmer überhaupt Angaben gemacht – das sei zu wenig. Kritisch zu hinterfragen seien auch die immensen Schwankungen bei den Umsätzen und den Kosten. Die angegeben Erträge pro Fahrzeug lagen zwischen 884 und 6 134 Euro, die Kosten zwischen 505 und 5 951 Euro. Das Ordnungsamt hatte dafür keine Erklärungen, geht sogar selbst davon aus, dass manche Unternehmen zum Teil eine „systematische Verletzung steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Pflichten“ vollziehen. Wenn man dann trotzdem solche Daten heranzieht, ist das rechtsfehlerhaft, sagt das Gericht. Beim dritten Kriterium für eine Bewertung der Funktionsfähigkeit der Taxidichte wirft die Richterin der Behörde vor, diese selber gar nicht in Betracht gezogen zu haben, was ebenfalls als rechts fehlerhaft zu bewerten sei. Sie sei nämlich im Vergleich zu ande ren Städten deutlich geringer. Auf 1 000 Einwohner in Karlsruhe entfallen 0,7 Taxis. Städte wie Mannheim, Heidelberg, Freiburg, Bonn oder Münster hätten höhere Dichten. Zwar ist es juristisch zulässig, Vergleichszahlen mit anderen Städten zu relativieren, indem man auf besondere Strukturen der eigenen Stadt verweist. Genau dies sei aber im betreffenden Fall nicht erfolgt. Beim letzten Kriterium der Funktionsfähigkeit muss eine Behörde auch noch die Geschäftsaufgaben bei den Taxi betrieben berücksichtigen. Davon habe es in Karlsruhe seit 2009 keine einzige mehr gegeben, dafür aber im Schnitt pro Jahr 17 Genehmigungsübertragungen, für die von den Erwerbern bis zu fünfstellige Summen ausgegeben wurden. Als Motive hätten die Verkäufer gegenüber dem Ordnungsamt unter anderem finan zielle Probleme und eine schwierige Ertragslage angegeben. Die konstant hohe Nachfrage und die hohen Preise sind, so die Stadt, mit „unrealistischen Erwartungen der das finanzielle Risiko unterschätzenden Erwerber sowie auf die Begrenzung der Zahl der erteilten Genehmigungen“ zurückzuführen. Das sei laut Ordnungsamt ein weiteres Argument dafür, dass eine Zunahme an Konzessionen zur Bedrohung der Funktionsfähigkeit führen werde. WO VIEL INVESTIERT WIRD, IST DIE FUNKTIONS­ FÄHIGKEIT NICHT GEFÄHRDET Aus Sicht des Gerichts ist das „beurteilungsfehlerhaft“. „Solange für den Markteintritt über Jahre hinweg noch erhebliche Summen gezahlt werden, besteht kein Anlass für eine Sorge um die Funktionsfähigkeit. Ein rational handelnder Markteilnehmer würde in einer Situation, in der keine Gewinne zu erwarten sind, nicht derart in eine Genehmigung investieren. Aufgrund der Vielzahl an Übertragungen kann nicht von einer irrationalen Motivlage (schlecht informiert, Unvernunft) ausgegangen werden.“ Fazit: Auf Basis all dieser Unzulänglichkeiten hat der Unternehmer Anspruch auf Erteilung der zehn Genehmigungen. Dem Gericht ist dabei durchaus bewusst, dass es in der praktischen Umsetzung damit sogar zu einer höheren Aufstockung kommen wird, weil ja aufgrund der Vormerkliste bis zu 34 Genehmigungen erteilt werden müssen. Aus Sicht des Gerichts bedeute aber selbst dies noch keine Störung der Funktionsfähigkeit – schließlich gebe die Beklagte keinerlei fundierte Hinweise, ab welcher Zahl die Funktionsfähigkeit bedroht sein könnte. jh TAXI JULI / 2017 19

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