Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesminister für Verkehr und Digitale Infrastruktur setzt sich aus 16 Professoren zusammen. Professor Dr. Günter Knieps (6. von rechts) ist ihr Vorsitzender. DER NÄCHSTE VORSTOSS ZUR DEREGULIERUNG Geht es nach der Empfehlung von 16 Professoren, benötigt ein digitaler Taximarkt keine festen Preise und auch keine begrenzte Anzahl an Konzessionen. Wir berichten von einem Gutachten mit Denkfehlern. Nur wenige Wochen, nachdem sich der BZP für eine weitest gehende Beibehaltung des Ordnungsrahmens in Form des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) positioniert hat (siehe Seite 8), fordert ein Gutachten des „Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesminister für Verkehr und Digitale Infrastruktur“ grundlegende Liberalisierungsmaßnahmen im Taxigewerbe. Es trägt den Titel „Die Chance der Digitalisierung im Taximarkt nutzen: Liberalisieren und Verbraucherschutz stärken.“ Der Beirat hat innerhalb des Bundesverkehrsministeriums eine beratende Funktion. Als SPD-Staatssekretär und Vize minister des Bundesverkehrsministeriums Enak Ferlemann in seiner Rede vor den BZP-Delegierten von „aktuellen Lösungsansätzen“ berichtete, die auch „personenbeförderungsrechtliche Änderungen beinhalten“ (siehe Seite 7), wusste er wohl schon, dass kurze Zeit später ein weiterer Frontalangriff auf das PBefG folgen sollte. Die Ideensammlung der 16 am Gutachten beteiligten Professoren enthält einige radikale Änderungsvorschläge. Der Markteintritt neuer internetbasierter Dienstleister sei mit „inadäquat gewordenen Regeln“ nur eingeschränkt in Einklang zu bringen, heißt es in der Einleitung des Gutachtens. Als inadäquat bezeichnet man etwas, das nicht im richtigen Verhältnis zu etwas anderem steht. Aus Sicht der Professoren stimmt das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) nicht mit der aktuellen Digitalisierung überein. Gleichzeitig ermögliche die technische Entwicklung der letzten Jahrzehnte eine Deregulierung der Taximärkte. „Die Digitalisierung erleichtert die Vermittlung von Taxis, vermindert Leerfahrten und erhöht so die Produktivität. […] Die Nachvollziehbarkeit von Erlösen und Arbeitszeiten für die Aufsichtsbehörden wird vereinfacht“, führt das Gutachten auf. Man könne auch hinsichtlich des Fahrzeugangebotes nach Qualität (preiswerte Kleinwagen oder teurere Limousinen) bzw. nach Umweltkriterien (E-Taxis) differenzieren. Als Konsequenz empfiehlt der Beirat daher eine Reform des Regulierungsrahmens des Taximarktes, „um die Früchte dieser Innovationen zu ernten“. Hier taucht bereits ein erster Denkfehler der Professoren auf: Die angesprochene Digitalisierung betrifft laut Gutachten den „Markteintritt neuer internetbasierter Dienstleister.“ Bei der Aufzählung der App- Anbieter werden dann aber Uber und blabacar mit taxi.eu, taxi.de und mytaxi in einen Topf geworfen. Sowohl taxi.eu als auch mytaxi (sofern Sie ohne Rabattaktionen agieren) arbeiten aber bereits als brancheninterne Lösungen von Anfang an im Rahmen bestehender Gesetze. Ähnlich falsch sind auch die Schlussfolgerungen, die hinsichtlich der Aufhebung quantitativer Konzessionsbeschränkungen gezogen werden. Taxikonzessionen sollen künftig nur noch der Fachkunde und der Regelkonformität unterworfen sein, womit also qualitative Zugangsvoraussetzungen erhalten bleiben sollen. Erfahrungen in Hamburg und Schweden würden zeigen, dass „die Funktionsfähigkeit von Taximärkten nicht durch den Eintritt weiterer Taxiangebote gefährdet ist“. Eine Überprüfung des Taximarktes nach § 13,4 PBefG durch Gutachten und die daraus resultierende Verweigerung von Genehmigungen sei obsolet (als obsolet bezeichnet man etwas, das nicht gebraucht wird, weil es veraltet ist). Was die Gutachter hier aber unberücksichtigt lassen: Für das Taxigewerbe sind in Deutschland rund 800 Aufsichtsbehörden zuständig. Hamburg funktioniert deshalb, weil dort ausreichend Personal mit der nötigen betriebswirtschaftlichen Kompetenz und technischer Unterstützung die Verfehlungen der Taxibetriebe entlarven kann. In den meisten Aufsichtsbehörden herrscht jedoch ein gravierender Mangel an betriebswirtschaftlichen Grundlagen. In Kombination mit massivem Personalmangel haben die deutschen Genehmigungsbehörden ein gravierendes FOTO: Universität Freiburg 10 MAI / 2017 TAXI
GEWERBEPOLITIK Vollzugsdefizit. Das lässt sich nicht lösen, indem man die Anzahl der Konzessionen freigibt, gleichzeitig aber keine Lösungen anbieten kann, wie der daraus resultierende Wildwuchs eingedämmt werden könnte. Das gilt auch für den nächsten Vorschläge des Gutachtens: Da eine Unterscheidung im PBefG zwischen Taxis und Mietwagen nicht mehr zeitgerecht sei, solle diese künftig aufgehoben werden, womit für Mietwagen gleichzeitig auch die Rückkehrpflicht entfallen würde, fordern die Professoren. Gleichzeitig solle der bisher ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent bei Taxis auf den Regelsteuersatz angehoben werden. Der Taxitarif solle nicht weiter staatlich bestimmt werden. Die Tarife sollen also freigegeben werden, wobei Informationspflichten an Taxiständen und bei Ruftaxis ausgeweitet und reguliert werden, um eine „faire Preisbildung zu gewährleisten“. Nach einer solchen Preisfreigabe würden Taxizentralen und webbasierte Taxivermittler die Preise festlegen, weshalb diese Vermittler vorher als neue Kategorie ins PBefG aufgenommen werden sollen. „Sie sollten Daten jeder Fahrt bereitstellen, um eine Marktmachtmissbrauchskontrolle wie auch die allgemeine Regelkontrolle zu unterstützen.“ Wie man aufgrund der bereitgestellten Daten allerdings auf einen Marktmissbrauch schließen können soll, lassen die Gutachter offen. Als logische Konsequenz aus dem Verzicht einer Preisfestlegung sieht das Gutachten auch die Beförderungspflicht als nicht mehr notwendig an. An stark frequentierten Halteplätzen, an denen Fahrgäste möglichst einfach und schnell einem Taxi zugeordnet werden müssen, wäre eine individuelle Preisfindung nicht möglich. Hier sollte der Betreiber des Taxistands deshalb das Recht haben, Tarife, Qualitäten und Pflichtfahrgebiete für die von diesem Stand ausgehenden Fahrten vorzugeben. Das Gutachten spricht in diesem Fall von einer „Taxistand-spezifischen Tarifbindung“. Sollte die Politik all diese Empfehlungen umsetzen, sei laut Meinung der 16 Professoren damit zu rechnen, „dass die Kunden von einem breiten Angebot und geringeren Wartezeiten profitieren werden. Die bessere Vermittlung und die Vermeidung von Leerfahrten reduzieren die Umweltbelastung und die Kosten der Taxifahrten.“ An diesem Punkt wird der gravierendste Denkfehler der Professoren deutlich. Die hier angesprochenen Wartezeiten bestehen nicht auf Seiten der Kunden, sie bestehen in 90 Prozent aller Fälle auf Seiten des Taxigewerbes. Eine schnelle Bedienung der Kunden innerhalb weniger Minuten kann nur erfolgen, weil man genügend Taxis bereithält. Mit der wirtschaftlich fatalen Folge, dass die Wartezeit zwischen den Fahrten zu groß ist. Fazit: Eine pauschale Verurteilung des Gutachtens wäre kontraproduktiv, eine Verunglimpfung der Professoren auf persönlicher Ebene, wie es leider in den sozialen Medien bereits im vollen Gange ist, ist nicht gerechtfertigt. Die Personen haben sich sehr intensiv mit der Branche beschäftigt und sie legen den Finger auch dort in die Wunde, wo die Taxibranche tatsächlich gravierende Schwachstellen hat. An diesen Punkten gilt es, aufzuholen. Die Denkfehler müssen im politischen Dialog angesprochen werden. jh KEINE ORTSKUNDEPRÜFUNG MEHR FÜR MIETWAGEN Unmittelbar vor Redaktionsschluss dieser Taxi Times Ausgabe wurde ein Schreiben des Bayerischen Verkehrsministeriums bekannt. Darin wurden die untergeordneten bayerischen Fahrerlaubnisbehörden aufgefordert, keine Ortskundeprüfung mehr bei Krankenwagenfahrten und bei Mietwagen durchführen. Das Ministerium handle mit dieser Anweisung „im Vorgriff“ auf eine zu erwartende Rechtsänderung. Man verweist auf Sitzungen des Bund- Länder-Fachausschuss „Fahrerlaubnis/ Fahrlehrerrecht“ im Herbst letzten Jahres und im Frühjahr 2017. Dort wurde mehrheitlich beschlossen, dass Perfekt für Ihren Mietwagen. Wegstreckenzähler WSZ-06 und SPW-02 Die Zukunft im Taxi. aus „fahrerlaubnisrechtlicher Sicht“ abweichend von §48 Abs. 4 Nr. 7 FeV, ein Wegfall des Nachweises der Ortskunde im Mietwagen- und Krankenkraftwagenverkehr künftig für „vertretbar“ erachtet wird. Im Gegensatz zum Taxifahrer sei das Fahrziel in der Regel im Vorfeld bekannt. Somit könne eine geeignete Fahrtroute bereits vor Fahrtantritt recherchiert und ausgewählt werden. Über mögliche Auswirkungen einer solchen Lockerung und ob Bayern seinen eigenmächtigen Vorstoß wieder zurücknehmen muss, werden wir Sie auf unserer Homepage und über die Taxi Times App informieren Speicherung und Verwaltung der Daten im HALE Datencenter mit Taxameterdaten (Miet- und Taxilösung gemeinsam möglich) Für GoBD (HALE Cey Online) oder SEI-03 (HALE INSIKA®) Vereinfachte Tarifeingabe – vom Unternehmer selbst programmierbar Pauschalpreiseingabe durch den Fahrer (bei angeschlossenem Drucker) PTB Zulassung bereits seit 2010 HALE electronic GmbH | A-5020 Salzburg | E: [email protected] www.hale.de www.dachzeichen.de www.hale.at TAXI MAI / 2017 11
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