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Taxi Times DACH - März 2017

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GASTKOMMENTAR SCHLUSS

GASTKOMMENTAR SCHLUSS MIT DEM TAXITARIFCHAOS! In globalen Zeiten sind regionale unterschiedliche Taxitarife eigentlich »von gestern«. Ein bundesweiter Taxitarif hätte einige Vorteile. Der Oldenburger Taxikollege Jürgen Rückin, bekannt als Betreiber der Internet-Palttform www.taxiforum.de, hat seit Jahren eine bizarre Leidenschaft: Er sammelt Taxitarife. Auf seiner Webseite „www.derinnenspiegel.de“ werden aktuell die Taxitarife von „126 Städten (darunter allen kreisfreien Städte) und 274 Landkreisen sowie zwei Insel- Tarife“ aufgelistet - „dazu kommen weitere 191 Taxitarife für das Land Hessen“. Einheitlich an all diesen Tarifen ist die große Uneinheitlichkeit. So gibt es beispielsweise vielerorts Zuschläge für Gepäck, in Berlin aber nur, wenn es sperrig ist und in Bad Kreuznach lediglich dann, wenn das Gepäck auch vom Taxifahrer getragen wird. Mancherorts gibt es Zuschläge für Tiermitnahme, in Bielefeld aber nur für Hunde. In manchen Städten und Landkreisen „kann“ für eine unbare Tour eine Gebühr erhoben werden, in anderen (Berlin) ist das Pflicht, wieder anderswo ist ein Aufpreis für Kartenzahlung illegal (Hamburg). Karlsruhe hat einen speziellen „Messetarif“, andernorts ist für eine Fahrradmitnahme gesondert zu zahlen, im Landkreis Bamberg auch für Rollstühle (10 Euro). Ein Wahnsinn, dieses Tarif-Chaos. Eine unzeitgemäße und kundenunfreundliche Kleinstaaterei, welche dringend beendet gehört. Die Gewerbevertretung GVN hat für Niedersachsen den vernünftigen Vorschlag gemacht, statt dutzender differierender Städte- und Landkreis-Tarife einen einheitlichen Landestarif einzuführen. Das ist ein richtiger Ansatz, aber nicht konsequent zu Ende gedacht. Gebraucht wird ein einheitlicher Taxitarif für ganz Deutschland mit Bielefeld der Möglichkeit von lokalen Anpassungen. Dort, wo die Lebenshaltungskosten höher sind als im Durchschnitt (zum Beispiel in wirtschaftsstarken Städten wie München, Stuttgart oder Hamburg), könnte mit lokalen Hebesätzen von plus 10 oder 20 Prozent gearbeitet werden, klar ersichtlich durch auffällige Aufkleber in jedem Taxi. Die Struktur aber, bestehend aus Grundpreis, Kilometerpreis und -staffelung, Zeitfaktor sowie Zuschläge, wäre überall gleich, negative Preis-Überraschungen in fremden Städten blieben für die Taxikunden aus. Dieser bundesweite Taxitarif sollte von einem Expertengremium, welches beim Bundesverkehrsministerium anzusiedeln wäre, ein- oder zweijährlich erarbeitet werden. In der zu bildenden Taxitarif-Kommission müsste Statistik- Expertise vorhanden sein (Stichwort Kraftfahrer-Preisindex) wie auch fundierte Kenntnisse der Betriebswirtschaft - etwas, was nicht jeder Staatsdiener in ausreichendem Maße mitbringt. In einem solchen Gremium sollten mit dem Bundesverband BZP sowohl Vertreter des Taxigewerbes wie auch der Taxikunden (eventuell durch den Bundesverband der Verbraucherzentralen) vertreten sein. Gemeinsam hätten die Damen und Herren sowohl eine Tarifstruktur und -höhe zu entwerfen wie auch die turnusmäßigen Tarifanpassungen zu erarbeiten. Ein einheitlicher Standardtarif dient auch weiterhin der Unterbindung von Dumping-Wettbewerb und sichert die Daseinsvorsorge im Bereich der individuellen Berlin Bamberg Mobilitäts-Angebote. Gegen mehr Wettbewerb durch eine Möglichkeit zur Preisdifferenzierung oberhalb des Standardpreises, zum Beispiel für zusätzliche Services bei Bestelltouren, wäre dagegen nichts einzuwenden. Gedient wäre mit einem bundeseinheitlichen Taxitarif allen Taxiunternehmen. Sie erhielten eine Verlässlichkeit durch regelmäßige Tarifanpassungen an die laufenden Kostenerhöhungen und wären damit in der Lage, zeitnah unter anderem Spritpreisschwankungen und die zweijährlichen Erhöhungen des Mindestlohnes kompensieren. Nur der Oldenburger Taxikollegen Jürgen Rückin könnte seiner Sammel- Leidenschaft nicht mehr fröhnen. Es wird sich sicherlich ein anderes Betätigungsfeld für den fleißigen Sammler finden. cg Clemens Grün ist Vorsitzender des „HTV - Hamburger Taxenverband e.V.“ und betreibt den Blog „Taxi-Magazin.de“. ILLUSTRATION: Noun Project / Candice Gras, Noun Project / NOPIXEL, FOTO: Clemens Grün 32 MÄRZ / 2017 TAXI

GASTKOMMENTAR DER SCHATZ DER NIBELUNGEN In Worms sorgt ein Taxigutachten für sagenhafte Zahlen. FOTO: Fotolia / fergregory Die Stadt Worms, kreisfreie Stadt in Rheinland-Pfalz, inmitten der Me tropolen Rhein-Neckar und Rhein-Main und idyllisch am Rhein gelegen, sagenumwobene Hauptstadt und Festspielstadt der Nibelungen. Der Sage zufolge liegt dort irgendwo der Schatz der Nibelungen, der einst im Rhein versenkt wurde. Das historische Bild hat durchaus Bezug zur Gegenwart; hüten doch die Stadtoberen heute die Taxigenehmigungen wie einst ihre historischen Vorbilder den Nibelungenschatz, und ein Gutachter bewacht wie dereinst die Zwergengestalt „Alberich“, die Vergabe der Konzessionen. Getreu dem historischen Vorbild erweist sich das gefertigte Gutachten als Höhlenreich, dunkel im Ganzen, aber nicht unüberwindbar. DAS WORMSER TAXI-GUTACHTEN Um die Funktionsfähigkeit des Wormser Taxigewerbes nach § 13,4 PBefG zu bewerten, hat das Unternehmen TOKOM aus Rostock am 18. Dezember 2015 der Stadt Worms ein Gutachten vorgelegt. Darin werden beispielsweise Nettoumsätze pro Genehmigung zwischen 101 000 Euro und 145 900 Euro ermittelt und Einnahmen von bis zu 1,50 Euro pro Kilometer errechnet. Trotz dieser Werte kommt das Gutachten zu dem Schluss, dass die Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes nicht gewährleistet sei, und empfiehlt neben einer Reduzierung der Anzahl der Taxikonzessionen auch eine sehr hoch angesetzte Tariferhöhung. Der Tarifvorschlag des Gutachters wurde zunächst umgesetzt, nach Protesten des Gewerbes nochmals geändert. Derzeit befindet sich das gesamte Gutachten in Überarbeitung, wozu nun wiederholt Unternehmenskenndaten nachgefragt werden, während bei der Ausgangsbegutachtung, trotz eines umfassenden Auskunftsverlangens über die Geschäftsjahre 2008 bis 2014, offensichtlich nur unvollständige Angaben vorlagen. jh SIEGFRIED UND DER ZWERG Wie damals Siegfried den Zwergen besiegte, war im heutigen Vorbild ein Taxiunternehmen erfolgreich und hat sich sechs Taxikonzessionen erstritten, trotz eines Gutachtens, welches die Funktionsfähigkeit des örtlichen Taxengewerbes nach § 13 Abs. 4 PBefG als in seiner Funktion bedroht sieht. Dabei hat der „Alberich“ unter den Gutachtern doch alles so schön berechnet, wenn auch auf einer schmalen Datengrundlage: Zwischen 120 000 Euro und 140 000 Euro je Fahrzeug und Genehmigung Nettoumsatz, bei durchschnittlich 70 000 bis 90 000 km jährlicher Fahrzeuglaufleistung, daraus folgend Kilometer-Erlöse zwischen 1,41 und 1,55 Euro, alles in allem Traumwerte, die darauf hinweisen, dass der Besitz einer Taxigenehmigung in Worms dem Nibelungenschatz quasi gleichkommt. Schlimm nur, dass alleine diese Zahlen im nationalen Vergleich deutlich von allen sonst seriös ermittelten Werten erheblich abweichen und daher bei Kennern der Materie nur für Kopfschütteln sorgen. In der Folge daraus finden die Vorschläge des Schatzhüters zu neuen Taxi-Tarifen keine Zustimmung. Zwei beschlossene und verkündete Tarifänderungen innerhalb kurzer Frist sorgen dafür, dass die zuständigen Eichbehörden auch einen Teil des Schatzes abbekommen. Derweil sammelt der Gralshüter fleißig weiter Unternehmensdaten, um seine Einschätzungen und Prognosen weiter zu untermauern. Alles in allem ist es offensichtlich in der Realität wie in der Sage: Alle mühen sich, teilweise vergebens und teilweise umsonst, den Nibelungenschatz endlich zu finden. Dabei ist es bei Gutachten zur Funktionsfähigkeit des Taximarktes eigentlich ganz einfach: Erstens findet man keine Schätze und zweitens muss eine Behörde auf die Wahl des Gutachters gut achten, da sie ansonsten wegen einer falschen Prognose ins Schwert der Justitia läuft! au Axel Ulmer ist ausgebildeter Volljurist mit Schwerpunkt Verwaltungsrecht/PBefG und fungiert als Unternehmensberater für die Ulmer Consulting UG in Kaiserslautern. TAXI MÄRZ / 2017 33

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