RECHT DER ZWEITE AKT: ENDLOS- PROZESS IN MÜNCHEN Im Prozess einer Münchner Taxiunternehmerin gegen Uber scheint es wie in Köln hauptsächlich um die Frage zu gehen, was mit der App technisch möglich ist. Am 23. September waren am Landgericht München II neun Zeugen geladen. Acht von ihnen sollten von ihren Erfahrungen mit Uber berichten, die sie 2017 oder 2018 als Uber-Fahrer, -Unternehmer oder -Kunden gemacht hatten. Die Fahrer gaben nahezu gleichlautend an, direkt und unmittelbar den Auftrag per App auf ihr Smartphone erhalten und dann die Fahrt ausgeführt zu haben. Ein ehemaliger Unternehmer bestätigte, dass er zwar alle Aufträge parallel auch als Nachricht per E-Mail bekommen hatte, diese aber nie aktiv bearbeitet habe und seine Fahrer die Fahrten in Eigenverantwortung durchgeführt hätten. Es wäre vor allem nachts gar nicht möglich gewesen, jeden Auftrag aktiv zu legitimieren. Der neunte Zeuge war Christoph Weigler, Deutschland-Chef von Uber. Er sollte erklären, wie die Auftragsvergabe bei Uber technisch abläuft, und schilderte, dass Ende 2016 der Prozess der Auftragsvermittlung umgestellt wurde, wobei die Entwicklung gemeinsam mit der Berliner Aufsichtsbehörde LABO vorgenommen worden und an die Rechtsprechung des Berliner Kammergerichts angepasst worden sei. Seitdem würden Kundenbestellungen über die Uber-App zwar weiterhin an das nächstgelegene Fahrzeug vermittelt, doch bekäme der Unternehmer eine E-Mail an seinen Betriebssitz, in der er über das Fahrtangebot an sein Fahrzeug informiert wird. Das Angebot enthält Informationen zum Namen des Bestellers einschließlich Telefonnummer, zur Abholadresse, zum Fahrtziel und zum Fahrpreis. FAHREN OHNE BESTÄTIGUNG In dieser Mail sind zwei Optionen verlinkt: Auftrag annehmen oder Auftrag ablehnen. Nimmt der Mietwagenunternehmer das Angebot an, wird sein Fahrer per SMS benachrichtigt, ebenso im Falle einer Ablehnung. Im Falle einer Ablehnung wird die Bestellung einem anderen Fahrzeug bzw. einem anderen Unternehmer angeboten. Zeitgleich zur E-Mail bekommt allerdings der Fahrer bereits eine Benachrichtigung. Er erfährt die Abholadresse Wirkte vor Gericht im Zeugenstand nicht ganz so elegant wie auf diesem PR-Foto: Ubers Deutschland-Chef Christoph Weigler. und den Namen, aber weder Fahrpreis noch Fahrtziel. Für das Gericht ging es nun darum, ob es technisch möglich sei, dass der Fahrer auch dann die Fahrt durchführen könne, wenn der Unternehmer den Auftrag nicht angenommen habe. Dies wurde durch mehrere Zeugenaussagen von Uber-Fahrern bzw. -Unternehmern bestätigt. Auch Weigler widersprach dem nicht: Sein Unternehmen kontrolliere erst im Nachhinein, ob die ausgeführte Fahrt auch tatsächlich vom Unternehmer vorab disponiert worden sei. Laut vertraglicher Vereinbarung sei der dazu verpflichtet und würde deshalb im Falle mehrerer „nicht-disponierter“ Fahrten abgemahnt FOTOS: Adobe Stock / Alexstar, Uber Wir verbinden das Beste aus zwei Welten! Mit der zukunftsweisenden Technik des Elektroantriebs und der Fachkompetenz von MobiTEC im Bereich Taxiumbau sind Fahrzeuge von uns auch künftig: flexibel | funktionell | individuell Nissan e-NV200 www.mobi-tec.de Ihr Fahrzeugumbauer aus dem Allgäu | MobiTEC GmbH & Co. KG | 88450 Berkheim
RECHT bzw. von der weiteren Auftragsvergabe ausgeschlossen, weil er sich vertragswidrig verhalten habe. Die Richterin betonte, dass ihr diese vertraglichen Pflichten aufgrund der Aktenlage bekannt seien, dass es ihr in der Bewertung der Sachlage aber darum gehe, ob eine Ausführung der Fahrt technisch auch ohne Zustimmung des Unternehmers möglich sei. Wenn es technisch möglich sei, müsse das Gericht die Entscheidung treffen, ob es sich dann um eine Umgehung des Personenbeförderungsgesetzes handle, sagte die Richterin sinngemäß. UBER-CHEF ALS ZEUGE In diesem Zusammenhang stellte die Berliner Rechtsanwältin der Taxiseite, Alexandra Decker, dem Zeugen Weigler die Fragen, ob Unternehmer aus technischer Sicht auch erst nachträglich die Fahrten disponieren könnten und ob es technisch keine Möglichkeit gäbe, Fahrten ad hoc für diejenigen Fahrzeuge zu sperren, deren Unternehmer keine aktive Freigabe erteilt hätten. Weigler versuchte, diese Fragen zu umgehen, musste aber schließlich eingestehen, dass eine nachträgliche Fahrtdisponierung wohl technisch möglich sei, ohne aber Landgericht Köln AZ 81 O 74/19 konkrete Angaben zu machen, über welche Zeitdauer diese nachgereicht werden kann. Ob eine Sperre technisch möglich sei, beantwortete Weigler nicht, betonte jedoch Landgericht Frankfurt 3 - 06 O 44/19 Landgericht München 4 HK O 14935/16 mehrmals, dass es nicht dem Sinn der App entspreche, durch solche Funktionen den Bestellablauf zu verzögern. Diese Aussage fand allerdings keine offizielle Aufnahme ins Vernehmungsprotokoll. Nach der Zeugenbefragung, die insgesamt über zwei Stunden dauerte, stellte die Richterin in Aussicht, nun auch bereits ein mündliches Urteil fällen zu können. Das wäre ein Einzelrichterurteil gewesen, da die beiden beisitzenden Handelsrichter an diesem Tag nicht anwesend waren. Dem hätten beide Seiten zustimmen müssen – was von den Uber-Anwälten aber abgelehnt wurde, da diese auf ein Handelsrichter-Urteil bestanden. Rechtsanwältin Decker und Klägerin Eismann wären mit einer sofortigen Urteilsverkündung einverstanden gewesen. Uber konnte dadurch wieder Zeit gewinnen, denn als nächsten Verhandlungstermin wurde der 2. Dezember angesetzt. Ein Termin, bei dem beide Seiten letztlich nur noch einmal zu den Zeugenaussagen Stellung bezogen und die Richterin abermals die Taxiseite darum bat, ihre drei Anklagepunkte noch mal genau zu definieren. Eine Urteilsverkündung wurde anschließend für den 10. Februar anberaumt. jh NEWSTICKER UBER IN WIEN – EIN DAUERDRAMA FOTO: Adobe Stock / Speedfighter Was Köln erreicht hat, hat Wien schon lange geschafft. Doch der US-Vermittler findet auch hier juristische Winkelzüge, um einem Verbot zu entkommen. Eigentlich darf Uber seine App in Österreich gar nicht mehr anbieten. Im Sommer 2019 hat die Wiener Handelskammer einer von der Zentrale Taxi 40100 erwirkten einstweiligen Verfügung entsprochen. Uber müsse die Fahrtenvermittlung über seine App unterlassen, weil man über keine Gewerbeberechtigung verfüge. Bei Zuwiderhandlung drohe eine Strafe über 100.000 Euro. Uber stellte seinen Dienst tatsächlich für fünf Tage ein, ehe man ein Gewerbe als Reisebüro mit Sitz in Österreich anmeldete. Dann ging man wieder „on air“ und zum „Neustart“ gleich mal mit Rabattaktionen, um Fahrgäste zurückzuerobern. Als Reisebüro ist man in Österreich berechtigt, die Vermittlung von durch Verkehrsunternehmen durchzuführenden Personenbeförderungen zu betreiben. Dagegen wurde beim Oberlandesgericht Wien Klage einegereicht; und das wiederum hat Anfang November bestätigt, dass Uber eine Gewerbeberechtigung gemäß des Gelegenheitsverkehrsgesetzes benötige, also eine Taxi- oder Mietwagenlizenz. Die von Uber beantragte Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom Juli konnte somit nicht erreicht werden. Damit müsste Uber seine App jetzt abermals vom Markt nehmen. Doch weit gefehlt. Die neue (Reisebüro-)Uber-Firma, die beklagt worden ist, sei ja nicht mehr auf der Straße, argumentiert Uber, und es sei nicht darüber geurteilt worden, ob eine Reisebürolizenz unzureichend sei. Dieter Heine, Rechtsanwalt von Taxi 40100, sieht das anders. Für ihn ist nun jede weitere Fahrt, die Uber anbietet, illegal. Heine kündigte an, Strafanträge zu stellen. jh 15
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