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Taxi Times International - Juni 2015 - Deutsch

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TAXI IM WANDEL TAXI IM

TAXI IM WANDEL TAXI IM WANDEL UNTERNEHMENSBERATER UND VOLLJURIST AXEL ULMER „40 PROZENT UNPLAUSIBLE TAXIBETRIEBE HALTEN WIR FÜR VERFEHLT.“ Darf eine Straßenverkehrsbehörde in die Zuständig keiten des Finanzamts eingreifen oder ist sie auf Evidenzfälle beschränkt? Laut unserem Interviewpartner Axel Ulmer gibt es zu dieser Frage vor allem im Süden ein „Rechtsprechungsloch“. Es zählt zu den gesetzlichen Aufgaben einer Genehmigungsbehörde, die Funktionsfähigkeit des Taxigewerbes zu bewahren. Doch immer mehr Gutachten bescheinigen, dass ein funktionierendes Gewerbe gefährdet bzw. nur noch durch unplausible Umsatzzahlen gewährleistet ist. Die dadurch unter Druck geratenen Behörden versuchen gegenzusteuern. Beliebtes Mittel: Vergleich der vorgelegten Betriebszahlen nach standardisierten Plausibilitätsgrenzen und Verweigerung der Konzessionsverlängerung bei Verdacht auf Unplausibilität. Der Volljurist und Unternehmensberater Axel Ulmer sieht diese Vorgehensweise sehr kritisch und teilweise mit geltendem Recht und definierten Kontrollbefugnissen nicht vereinbar. TAXI TIMES: Herr Ulmer, Sie sind Berater für das Taxigewerbe und für Taxizentralen. Leistet Ihre Consulting­ Agentur in Zeiten von Uber und MyTaxi-Rabattaktionen, von Mindestlohn und baldiger Einführung des Fiskal taxameters aktive Sterbehilfe? AXEL ULMER: „Ich glaube nicht, dass man das Taxigewerbe schon auf dem Totenbett sehen muss. Das marktwirtschaftliche Umfeld ist allerdings sehr viel schwieriger geworden – auch für die Taxiunternehmen. Uber verfolgt derzeit ein rechtlich nicht zulässiges Geschäftsmodell und die Rabattaktionen von MyTaxi werden Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen, da sie zumindest rechtlich sehr fragwürdig sind. Es können nur diejenigen bestehen, die ihre Betriebe ordnungsgemäß aufgestellt haben und nicht befürchten müssen, bei Plausibilitätsprüfungen der Behörden durchzufallen.“ Was sind dafür die Gradmesser? „Die Zahlen müssen stimmen und es muss eine Betriebsführung gewährleistet sein, die sich mit dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) vereinbaren lässt.“ Ist das Taxi noch kon ­ kurrenz fähig? „Ja, es muss sich nicht vor anderen Angebotsformen verstecken. Es ist eine Branche, die im individuellen Bereich als Teil des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) überwiegend sehr gute und wichtige Dienstleistungen erbringt.“ Die von Ihnen angesprochenen Plausi bili täts überprüfungen sind oft das unmittelbare Ergebnis von Gutachten über die Funktionsfähigkeit des Taxi gewerbes. Können Sie uns kurz die rechtliche Grundlage erläutern? „Die von den Behörden beauftragten Unternehmen übernehmen eine gutachterliche Aufgabe auf Basis des § 13 Absatz 4 PBefG und ziehen daraus be ­ stimmte Schlüsse. Die Schwierigkeit für die Behörden liegt nun darin, die Empfehlungen des Gutachtens mit unterschiedlichen Aspekten des örtlichen Gewerbes in Einklang zu bringen.“ FOTO: Taxi Times Zum Beispiel? „Erstens mit dem Bestandschutz des jeweiligen Unternehmers und seinem Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit, zweitens mit der Tatsache, dass es in der Branche Verluste bei der Funktionsfähigkeit gibt und dies öffentliche Verkehrsinteressen beeinträchtigt.“ Auf das Grundrecht auf freie Berufswahl nach Artikel 12 des Grundgesetzes (GG) kann man sich aber bei einem Antrag auf Konzessions erteilung nicht berufen. Das hat das höchste Gericht schon vor Jahrzehnten eindeutig klargestellt. „Stimmt, im Bereich der Neu erteilung ist die Rechtsprechung eindeutig, die objektiven Zugangsvoraussetzungen sind rechtmäßig. Aber in der Frage, wann eine Behörde eine Konzession einziehen darf, ist die Rechtslage bei Weitem schwie riger und streitig.“ Aber genau hier setzen Behörden im Moment an, wenn Ihnen Gutachten eine Reduzierung der Taxigenehmigungen empfehlen. Bis vor Kurzem genügte es, bei einer Konzessionsverlängerung die gesetzlich vorgeschriebenen Unbedenklichkeitsbescheinigungen vorzulegen. „Inzwischen sind die Verwaltungen, von der Zuständigkeit meist den Straßenverkehrsbehörden unterstellt, dazu übergegangen, Plausibilitätsüberprüfungen durchzuführen, in deren Zusammenhang alle steuerlichen Belege eines Unternehmers überprüft werden. Die Frage ist aber: Darf eine Straßenverkehrsbehörde so einfach in die Zuständigkeiten des Finanzamts eingreifen oder ist sie auf Evidenz fälle beschränkt?“ Müssen sie es nicht sogar, wenn die Gutachten zu dem Ergebnis kommen, dass wie beispielsweise in Stuttgart 42 Prozent der Taxibetriebe unplausible Umsätze haben? „Was uns an den Gutachten stört, ist der Generalverdacht, unter den eine ganze Branche gestellt wird. Man spricht von 40 Prozent der Unternehmen, die unplausibel arbeiten. Das halte ich für verfehlt und es wird der Branche nicht gerecht.“ Also gibt es Unterschiede zwischen unplausibel und unplausibel? „Es gibt nie nur Schwarz oder Weiß. Es gibt jede Menge Grauabstufungen. Nehmen sie doch die Taxiunternehmer, die ihren Job nur nebenberuflich ausüben. Deren Unternehmensumsätze sind mit standardisierten Durchschnittszahlen nicht vergleichbar. In den Gutachten lesen sie darüber aber nichts.“ Taxiunternehmer, die Umsätze verschwinden lassen, verschaffen sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den ehrlichen Betrieben. Unter diesem Aspekt müsste es doch sehr zu begrüßen sein, wenn die Behörden endlich genauer hinsehen. Wo sehen Sie das Problem? 18 TAXI JUNI / 2015 19

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