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Taxi Times DACH - 3. Quartal 2024

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Taxi Times DACH - 3. Quartal 2024

ALTERNATIVE KRAFTSTOFFE

ALTERNATIVE KRAFTSTOFFE HVO 100 Leicht zu verwechseln: An dieser Zapfsäule ist HVO 100 auch als Diesel ausgezeichnet. E-FUEL Sogenannte e-Fuels sind per Definition synthetische Kraftstoffe, die mittels elektrischer Energie aus Wasser und Kohlenstoffdioxid (CO2) hergestellt werden. Die technische Umsetzbarkeit ist bereits bewiesen. Da es aber auf absehbare Zeit (auch nicht 2035) keine Möglichkeit gibt, große Mengen dieser Kraftstoffe zu einem Preis herzustellen, der diesen Aufwand rechtfertigt, werden die E-Fuels an dieser Stelle als vernachlässigbar angesehen. sg angesehen werden sollte. Dort, wo die Elektrifizierung bislang noch keine Alternative ist. In der tagtäglichen Diskussion fehlt meist dieser Aspekt, und so kommt es, dass HVO 100 als Retter des Verbrennungsmotors gefeiert und in direkte Konkurrenz zum E-Antrieb gestellt wird. Die Frage ist also, kann man hier Äpfel mit Birnen vergleichen? Die Antwort ist ganz klar nein, denn HVO 100 sollte man mit dem herkömmlichen B7-Diesel vergleichen, und da gibt es in der Tat einen Vorteil für HVO 100. Den Vergleich zur E-Mobilität besteht er jedoch nicht, selbst wenn der Kraftstoff unter bestmöglichen Bedingungen hergestellt wurde. Der Chemiker Tim Bötticher hat dieses Beispiel in einem Video belegt. Geht man davon aus, dass die gleiche Biomasse, anstatt sie in HVO 100 umzuwandeln, für die Stromerzeugung in einer Biogasanlage genutzt wird, fällt die Bilanz für das E-Auto deutlich besser aus. Bei Böttichers Vergleich wird ein Diesel-Fahrzeug mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 4,5 Litern Diesel pro 100 Kilometer und einem E-Auto mit einem Verbrauch von 15 kWh/100 km herangezogen. In der Beispielrechnung ergibt sich, dass der Energiewert des Diesels mit 21 kWh Strom gleichzusetzen ist. Gemeinsam mit dem notwendigen Strom für die HVO-Herstellung könnte ein E-Auto mit 15 kWh Verbrauch bereits 185 Kilometer weit fahren. Das ist in erster Linie mit der Effizienz des E-Autos zu begründen. Da die Biogasanlagen aber zusätzlich zum Strom aus den 4,5 Litern Diesel noch 25 kWh Wärmeenergie erzeugen können, ist der Vorteil der E-Mobilität sogar noch größer. Eins zu null für das Elektro-Auto. Hinzu kommen auch noch die deutlich geringeren Wartungskosten, die dann wirklich keine Fragen nach der Effizienz eines E-Autos im Vergleich zu einem Verbrenner offenlassen. Deshalb kann nur gelten, dass HVO 100 auf dem Weg zur Mobilitäts- und Antriebswende nicht viel mehr Tim Bötticher: Teurer IRRSINN mit neuem „KLIMA-Diesel“ Welche Hersteller haben eine Freigabe für XTL erteilt? als eine Randnotiz bleiben wird. Ein wichtiger Faktor, für die Akzeptanz von HVO 100 ist zudem der Preis. Aktuell kostet in München ein Liter HVO 100 im Schnitt 1,70 Euro. Diesel ist im Vergleich 5 Cent günstiger. Lokal kann der Preis natürlich unterschiedlich sein, aber HVO 100 bleibt auf absehbare Zeit teurer, zumal Verkehrsminister Wissing keine weitere Unterstützung zugesagt hat und der Kraftstoff ohnehin schon vom CO2-Aufschlag, der beim herkömmlichen Diesel anfällt, befreit ist. WELCHE AUTOS DÜRFEN HVO 100 TANKEN? Wer überhaupt den neuen Kraftstoff tanken darf, das zeigt ein Aufkleber im Tankdeckel. Wenn dort der Hinweis „XTL“ vermerkt ist, darf der neue Kraftstoff ohne Einschränkungen getankt werden. Bei älteren Fahrzeugen gibt es diesen Aufkleber noch nicht. Welcher Hersteller eine Freigabe gegeben hat, ist online nachzulesen. Die Diskussion darüber, ob man weiter beruhigt auf den Verbrenner setzen sollte oder auf die E-Mobilität umsteigt, scheint derzeit das Taxigewerbe zu spalten. Auch die beiden großen Taxiverbände, der Bundesverband Taxi und Mietwagen (BVTM) und der Taxi- und Mietwagenverband Deutschland (TMV) vertreten diesbezüglich unterschiedliche Standpunkte. Während der BVTM mit seinem Bundesfahrplan E-Taxi auf die Politik zugeht und eine großzügige Unterstützung des Staates fordert, steht für den TMV eine sogenannte Technologieoffenheit im Vordergrund. Damit will man zeigen, dass der Verband für alle Antriebe offen ist. Ein Blick auf die TMV-Aktivitäten der vergangenen Monate und Jahre zeigt aber auch, dass man sich vorrangig als Verfechter des Diesel-Ersatzstoffes HVO 100 versteht und gleichzeitig als Verfechter der e-Fuels auftritt. Ob der TMV damit wirklich im Sinne eines zukunftsorientierten Taxigewerbes agiert? sg BILD: freepik.com 22 3. QUARTAL 2024 TAXI

ANTRIEBSARTEN Michael Oppermann referierte auch in Genf. Er sieht noch Schwierigkeiten bei der effizienten Dekarbonisierung des Taxisektors. Die Amsterdamer Zentralenchefin Hedy Borreman war eine der Personen, die in der Türkei aus verschiedenen Städten Europas berichteten. E-MOBILITÄT UND INKLUSION IN EUROPÄISCHEN STÄDTEN Bei den diesjährigen Treffen von ERTA und IRU referierten Gewerbevertreter aus verschiedenen europäischen Ländern über die aktuelle Situation des Taxigewerbes und Herausforderungen der nahen Zukunft. FOTOS: Wim Faber, Taxi Times Eine noch immer große Herausforderung für das Taxigewerbe in nahezu jeder Stadt ist die Elektromobilität, insbesondere weil sich die Anforderungen nationaler und lokaler Regierungen häufig ändern. In der schottischen Metropole Glasgow (636.000 Einwohner) sind die klassischen Londoner (E-)Taxis heute ausnahmslos barrierefrei. Nachteilig ist, dass es in ganz Großbritannien nur einen einzigen Anbieter auf dem E-Taxi-Markt gibt: LEVC, Tochterunternehmen des chinesischen Autoherstellers Geely, der ein sehr teures TX-Modell für 86.000 Pfund (100.982 Euro) verkauft. Ein großes Problem in Glasgow ist die Frist für die Elektrifizierung. Im Jahr 2025 droht 350 der insgesamt 650 Taxis in der Stadt das Aus, da sie einen Verbrennerantrieb haben. In anderen Städten besteht eine wesentlich größere Auswahl an überwiegend viel günstigeren E-Fahrzeugen, wobei für rollstuhlgerechte Fahrgastbeförderung umgerüstete Serienmodelle zum Einsatz kommen. Als Nachteil werden oft nicht ausreichende Fördermittel für die Anschaffung gesehen, Kapazitätsengpässe im Stromnetz und die geringe Reichweite vieler E-Taxis, die mit einer Ladung oft nur um die 250 Kilometer weit kommen. So berichtete der Pariser G7-Zentralenchef Armand-Joseph Oudin, in Paris werde der Übergang zu Elektro-Taxis dadurch behindert, dass die meisten selbstständigen Taxifahrer nicht zu Hause oder in der eigenen Gegend laden können und die Zahl der öffentlichen Ladestationen für Taxis in der Stadt zurückbleibt. Amsterdam hingegen hat sich schon vor Jahren dafür entschieden, viele Ladepunkte (darunter viele Schnellladesäulen) einzurichten. Von den 890 Fahrzeugen der Taxicentrale Amsterdam (TCA) fahren 55 Prozent elektrisch, wie Geschäftsführerin Hedy Borreman berichtete. Vom geschätzten Gesamtmarkt (6.000 Taxis) sind 1.260 elektrisch, davon 39 Prozent der TCA angeschlossen. Der wahre Champion in Sachen E-Mobilität ist Dänemark. Nächstes Jahr will Taxa 4x35 in Kopenhagen seine eigene Flotte, die heute bereits zu 70 bis 75 Prozent elektrisch unterwegs ist, vollständig elektrifiziert haben. Der Weg des europäischen Taxisektors zur CO 2 -Neutralität war auch Thema eines Interviews am Rande der IRU-Tagung im Juni in Genf, in dem sich vier europäische Gewerbevertreter äußerten, darunter Michael Oppermann vom Bundesverband Taxi (BVTM): „Das Schlüsselproblem bei der Dekarbonisierung des Sektors ist Zuverlässigkeit. Strompreise, finanzielle Förderung, Ladeinfrastruktur, Autopreise: Die Unsicherheit ist zu groß. Während Taxiunternehmen bereit sind, umweltfreundlicher zu werden und auf Netto-Null-Emissionen umzusteigen, müssen sie wirtschaftliche Risiken minimieren und sorgfältige und verantwortungsvolle Entscheidungen für ihr Unternehmen und ihre Fahrer treffen. Regierungen sollten mehr tun, um mehr Sicherheit zu bieten und Taxiunternehmen zu unterstützen, die in Elektrofahrzeuge (EV) oder EV-Infrastruktur investieren.“ Gewerbevertreter aus Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden äußerten sich ähnlich. Auf die Frage, was zu einer effizienten Dekarbonisierung nötig ist, sagte Oppermann: „Wie bereits erwähnt, braucht der Sektor Stabilität und Zuverlässigkeit. Wir brauchen verlässliche Strompreise, finanzielle Unterstützung, Ladeinfrastruktur und günstigere Autos.“ Angesichts aller Unsicherheiten sei eine effiziente Dekarbonisierung sehr schwierig. wf/ar »Wir brauchen verlässliche Strompreise, finanzielle Unterstützung, Ladeinfrastruktur und günstigere Autos.« Michael Oppermann, Geschäftsführer BVTM TAXI 3. QUARTAL 2024 23

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