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Taxi Times DACH - 3. Quartal 2024

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Taxi Times DACH - 3. Quartal 2024

KORRUPTION

KORRUPTION Taxis auf dem Nürnberger Hauptmarkt (in der Bildmitte die IHK) NÜRNBERG: IHK-KRIMI ENDET MIT BERUFUNGSURTEIL Mangelnde Qualifikation trifft mangelnden Anstand: Taxi Times beobachtete den Fall der korrupten Prüfer von den ersten Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft bis zum Berufungsurteil. Ein Rückblick Wer in Deutschland Taxiunternehmer sein will, muss sein Wissen in einer Fachkundeprüfung unter Beweis stellen. Manch einer meint, das lasse sich durch einen Bakschisch ersetzen, wenn man einen Prüfer findet, der auch auf den Rechtsstaat pfeift. Herr Z. und Herr I. waren solche Prüfer. Sie wussten, dass sich die Möglichkeit, ein positives Prüfungsergebnis zu kaufen, in den „richtigen“ Kreisen herumsprechen würde: bei unqualifizierten Möchtegern-Taxi- und Mietwagenunternehmern. Dumm nur, dass man sich die IHK, die einen prüft, nicht aussuchen kann. Da half Kreativität: Wenn der Prüfer am Wohnsitz nicht kriminell genug ist, muss der Wohnsitz zum kriminellen Prüfer verlegt werden. Auch das taten die Prüfer oder ihre mutmaßlichen vier Helfer für Anwärter aus Berlin oder München. Wer als „Dienstleister“ Erfolg haben will, muss ein Komplettpaket bieten. Als die Öffentlichkeit auf die beiden Prüfer aufmerksam wurde, war der eine an der Nürnberger Industrie- und Handelskammer schon rausgeflogen, der andere hatte wohl selbst gekündigt. „Nürnberg: Taxi-Lizenz gegen Bares – jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft“ war der Titel der Taxi Times-Meldung vom 28. November 2018. Einer der beiden Herren war nach 31 Jahren Tätigkeit für die IHK entlassen worden. Mit seinem „Geschäftsmodell“ hatte er wahrscheinlich 2016 begonnen. Bei einer Prüfung seien „Regelverstöße gegen die Prüfungsordnung festgestellt“ worden, hieß es bei der IHK. Einige Tage später war der Fall bereits durch die Presse gegangen. „Nürnberger IHK-Mitarbeiter kassierte bis zu 7.000 Euro für eine Taxi-Unternehmerlizenz“, so die Taxi Times-Überschrift am 3. Dezember. Einem Teilnehmer, der gelernt hatte, war aufgefallen, dass die Durchfallquote bei einem Sonderprüfungstermin nicht bei den üblichen 60 Prozent lag, sondern bei wundersamen 0 Prozent. Er gab Beweise an Florian Bachmann, den Vorsitzenden des Taxiverbandes München (TMV), woraufhin Bachmann Anzeige erstattete. So kam die Sache ins Rollen. WUNDERSAME ERFOLGSQUOTE Die Staatsanwälte fanden staunend heraus, dass von den Anwärtern, die ausnahmslos bestanden hatten, nicht einmal alle hinrei- FOTOS: Axel Rühle 32 3. QUARTAL 2024 TAXI

KORRUPTION chend Deutsch konnten. Sie hatten bis zu 7.000 Euro gezahlt. Die nicht ganz so hoffnungslosen Fälle kamen zum Teil mit 3.000 Euro davon. In anderen deutschen Industrie- und Handelskammern rieb man sich verwundert die Augen und begann zu untersuchen, ob solche Sonderprüfungstermine auch im eigenen Haus auffällige Ergebnisse hervorgebracht haben könnten. Der Fall schlug Wellen. Der Bayerische Rundfunk stellte in seinem Politmagazin „Kontrovers“ die Frage, wie es dazu habe kommen können, dass bei der IHK Nürnberg rund 200-mal die Fachkundeprüfung von Unternehmen gekauft werden konnte. „Gekaufte Unternehmerprüfungen im Visier der Genehmigungsbehörden“ titelte Taxi Times am 11. Dezember. Die beiden Prüfer standen nun im Mittelpunkt der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Es drängte sich die Frage auf, wie viele Unternehmer deutschlandweit aktiv waren, die das Fachkundezertifikat nicht regulär erworben, sondern gekauft hatten und somit unqualifiziert tätig waren. Sie waren nicht zwingend im Taxigewerbe zu suchen. Wer kriminelle Energie hat, für den ist möglicherweise auch eine Kooperation mit Uber keine fernliegende Idee. Gerade für Mietwagenunternehmer in Großstädten, die mit solchen Fahrdiensten arbeiten, ist Ehrlichkeit nicht die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Geschäftsführung. Nun musste nicht nur die Nürnberger IHK ihre Unterlagen nach unberechtigt erteilten Prüfungsbescheinigungen durchforsten. Auch einige Genehmigungsbehörden hatten zu überprüfen, welchen Unternehmern ohne echte Qualifikation sie unwissentlich Konzessionen erteilt hatten, vor allem in Berlin. Doch ist es in einem solchen Fall einfach möglich, einem überführten Schummler die Erlaubnis zu entziehen? Ja: „Wenn der Beweis erbracht wird, dass der konkrete Bewerber Bestechungsgeld bezahlt hat, ist die persönliche Zuverlässigkeit nicht mehr gegeben“, so Wolfgang Ziegler von der Taxizentrale Nürnberg. GELASSENHEIT IN BERLIN Doch das Bekanntwerden von Missständen ist in Berlin nicht immer ein Anlass dafür, dass Behörden sie abschaffen. „Schwammige Antworten des Berliner Senats“ (so der Titel einer Taxi Times- Meldung) bekamen zwei Politiker im Oktober 2019 auf umfangreiche schriftliche Anfragen zum Taxi- und Mietwagenverkehr, darunter die Frage, wie viele Unternehmer in Berlin und im Umland tätig seien, die einen Schein der IHK Nürnberg haben, und wie viele davon in den Nürnberger Bestechungsskandal verwickelt waren. In diesem Punkt war die Antwort allerdings – für die damalige Legislaturperiode eher untypisch – nicht schwammig: 68 Unternehmen seien bekannt, bei 28 davon sei die Genehmigung inzwischen entweder widerrufen worden oder die Betriebe hätten aufgrund der Ermittlungen den Betrieb selbst aufgegeben, ließ die Behörde verlauten. In Nürnberg ermittelten unterdessen die Staatsanwälte. Gute vier Jahre dauerte es, bis sie genug Material hatten, um zumindest drei „Ehemalige Nürnberger IHK-Mitarbeiter vor Gericht“ zu bringen, wie die Überschrift der Taxi Times-Meldung am 30. Januar 2023 lautete. Sie waren bei der Untersuchung von 200 Fällen 17-mal fündig geworden, vermuteten allerdings eine Vielzahl weiterer Fälle, da sie neben der fünfstelligen Summe für die belegten Fälle einen sechsstelligen Geldbetrag auf einem Konto des 53-jährigen Hauptangeklagten fanden. Außerdem angeklagt waren ein 44-Jähriger und ein 60-Jähriger. Die Nürnberger IHK begrüßte es, „dass auch die strafrechtliche Aufarbeitung des Falles vorangeht“, wie eine Sprecherin sagte. „Die IHK hat organisatorische und personelle Konsequenzen gezogen und Sicherungsmaßnahmen eingeführt“, betonte sie. Unter anderem gebe es inzwischen anlasslose Kontrollen bei Prüfungen. Hier gingen die korrupten Prüfer ein und aus. Der Prozess dauerte fast das ganze Jahr. „Amtsgericht Nürnberg verhängt zwei Haftstrafen im IHK-Bestechungsprozess“, hieß es schließlich am 12. Dezember bei Taxi Times. Ein Schöffengericht hatte Herrn Z. am Vortag wegen Bestechlichkeit in 17 Fällen und zweifacher Steuerhinterziehung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Gericht ordnete die Einziehung von rund 111.000 Euro bei dem Verurteilten an. Das sei die Summe der Bestechungsgelder, die er nachweislich angenommen hatte. Herr I. bekam wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit eine Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Verfahren gegen einen dritten Angeklagten war bereits am ersten Prozesstag gegen eine Geldauflage eingestellt worden. Auch ihm war Beihilfe vorgeworfen worden. EINER FREI, EINER DARF VIEL GELD BEHALTEN Mit dem Urteil waren weder die Verurteilten noch die Staatsanwaltschaft zufrieden. Alle drei gingen in Berufung. Das Landgericht Nürnberg-Fürth musste den Fall erneut aufrollen. Dort fiel am 6. Juni 2024 das Urteil: Der Angeklagte Z. ist schuldig der Bestechlichkeit in 17 tatmehrheitlichen Fällen und der Steuerhinterziehung in zwei tatmehrheitlichen Fällen. Er wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und bekam für die Dauer von fünf Jahren die Fähigkeit aberkannt, öffentliche Ämter zu bekleiden. Ihm wurden nur noch 45.000 Euro entzogen, weniger als die Hälfte des in erster Instanz festgesetzten Betrages. Der Angeklagte I. ist schuldig der Beihilfe zur Bestechlichkeit in zwei tatmehrheitlichen Fällen und wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, diesmal zur Bewährung ausgesetzt. Von ihm wurden 24.000 Euro eingezogen. Die weiter gehenden Berufungen wurden als unbegründet verworfen. Der Hauptschuldige muss also ein Jahr weniger als nach dem ursprünglichen Urteil ins Gefängnis. Der zweite Angeklagte bleibt auf Bewährung frei. ar TAXI 3. 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